126 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz= und Arbeiterfragen
es nicht länger zu vermeiden, daß das Ministerium des Innern seinen
Widerstand gegen Einwanderung jüdisch-polnischer Arbeiter aufgibt, da
nach Aussage der Verwaltung von Russisch-Polen erhebliche Mengen
kräftiger und arbeitswilliger jüdisch-polnischer Arbeiter inländischen Be-
trieben verloren gehen.
Gleiche Erschwerungen für die Hereinholung feindlicher (auch neu-
traler) Ausländer schaffen die ungemein verwickelten und weitgehenden
Vorschriften über das Paßwesen (Unverdächtigkeitszeugnis) und den Grenz-
verkehr, wie sie besonders vom stellvertretenden Generalstab III b erlassen
und im Benehmen mit den stellvertretenden Generalkommandos gehand-
habt werden. Für eine Betonung der kriegswirtschaft-
lichen Erfordernisse dem stellvertretenden General-
stab gegenüber wäre das Kriegsministerium dankbar.
Falls alle diese Maßnahmen getroffen werden, dann wird es gelingen
können, aus Belgien und aus Russisch-Polen noch ansehnliche Zahlen von
Arbeitskräften für deutsche Kriegsarbeit auf freiwilligem Wege verfügbar
zu machen. Wenn nach Erschöpfung dieser Versuche aber noch nennens-
werte Mengen von brauchbaren Leuten übrig bleiben, die auf diesem Wege
nicht erfaßt werden können, dann bleibt kein anderes Mittel übrig, als
die Heranziehung im Wege des Zwanges. Etwaige völkerrechtliche Be-
denken dürfen uns nicht hindern, sie müssen der unentrinnbaren Not-
wendigkeit weichen, jede in deutscher Gewalt befindliche Arbeitskraft der
kriegswirtschaftlich produktivsten Verwendung zuzuführen. Zudem sei
daran erinnert, daß die völkerrechtlich-wissenschaftliche Auslegung des Be-
griffes „opérations de la guerre“ bei vielen Schriftstellern erheblich enger
ist, als sie vielfach in der Auffassung der Behörden erscheint. Zudem bildet
das Vorhandensein vieler Arbeitsloser eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit. Zur Abwendung derselben können Arbeiter zwangsweise
überall dorthin entsendet werden, wo sie gebraucht werden, gleichgültig ob
im In= oder Auslande.
Auf eine derartige Zwangs heranziehung belgischer Arbeiter wird
besonders für die vom Feldeisenbahnchef#geforderten Arbeiten in den
besetzten französischen Gebieten nicht zu verzichten sein. Die Heranziehung
belgischer Arbeiter für diese Zwecke muß mit allen möglichen Mitteln schon
um deswillen betrieben werden, weil nur auf diesem Wege die zahlreichen
zur Zeit dort festgehaltenen Kriegsgefangenen für dringende Arbeiten im
Inlande, für die sie unbedingt gebraucht werden, freigemacht werden
können. Von einer freien Anwerbung für diese Arbeiten im Operations-=
gebiet wird man sich nach den in der Sitzung vom 28. 9. 1916 gegebenen
Darstellungen keine allzugroßen Erwartungen machen dürfen. Die von
den Vertretern des General-Gouvernements Belgien in der Sitzung vom
28. 9. 1916 geltend gemachten Befürchtungen hinsichtlich der Zweck-