Denkschrift über Bevölkerungspolitik 221
Heereseintritt von Männern unter 20 Jahren. — Vom Jahre 1934 ab
werden die Mindergeburten in Erscheinung treten, die durch die Kriegs-
abwesenheit und Kriegsverluste an Vätern verursacht sind. Mit einem
Minus von 3 Millionen Gestellungspflichtigen wird
schon aus diesem Grunde zu rechnen sein.
7. Auch die Güte des Heeresersatzes wird durch den Krieg
beeinflußt. Schon die Ernährungsschwierigkeiten, unter
denen Deutschland zufolge Englands Aushungerungsplänen leidet, werden
auf die körperliche Entwicklung des Nachwuchses nicht ohne Einfluß bleiben.
Bisher freilich ist von der „Preußischen Wissenschaftlichen Deputation
für das Medizinalwesen" nachgewiesen, daß die im Kriege Neugeborenen
körperlich unbeeinflußt zur Welt kommen, und daß auch bei den Säug-
lingen keinerlei Schädigung, bei Klein= und Schulkindern — wenigstens
bis zum Herbst 1916 — meist nur eine mäßige Abmagerung festzustellen
war. Doch scheint in den höheren Altersstufen bei schwacher Körperver-
fassung eine größere Anfälligkeit für Krankheiten, besonders für Tuber-
kulose, eingetreten zu sein.
Die jetzige Unterernährung wird sich auch nach Friedensschluß nur all-
mählich wieder ausgleichen lassen.
8. Es ist der Leitung des Feldsanitätswesens und den einheimischen
Sanitätsbehörden gelungen, die Heimat vor der Einschleppung und
Verbreitung ansteckender Krankheiten fast ganz zu be-
wahren, während frühere Kriege diese zur unvermeidlichen Folge hatten
und in Feindesland auch jetzt die bürgerliche Bevölkerung zum Teil schwer
dadurch heimgesucht wurde.
9. In jedem längeren Kriege mehren sich infolge der Trennung der
Ehen und der unausbleiblichen Erschütterung sittlicher Grundsätze und
Lebensanschauungen die Geschlechtskrankheiten. Die Anzahl
der im Felde erfolgten Ansteckungen von Heeresangehörigen bleibt pro-
zentual hinter den in der Heimat festgestellten zurück. Bedenklich ist die
große Zahl Verheirateter, die durch die Kriegsverhältnisse geschlechtskrank
geworden sind und nun die Gesundheit ihrer Familien bedrohen, auch auf
dem flachen Lande, das bisher geschlechtlich noch fast ganz gesund war.
Was an Vorbeugungsmitteln in dienstlicher, sittlicher und ärztlicher
Hinsicht irgend möglich war, ist geschehen, auch für die Behandlung der Er-
krankten und für Tilgung ihrer Übertragungsfähigkeit sind umfassendste
Methoden getroffen worden. Besondere gesetzgeberische Maßregeln für das
ganze Reich sind eingeleitet (s. untenl!).
10. Die Wirtschaftslage der meisten Familien ist durch die
Verteuerung der Lebenshaltung, Daniederliegen und Zusammenbruch
vieler Erwerbszweige, Vermehrung der Steuern usw. nachhaltig schwer ge-