Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Schwierige Lage der inneren Politik 293 
  
  
Anderen gegenüber habe ich stets an dem Grundsatz, zu Fragen der inneren 
Politik keine Stellung zu nehmen, festgehalten. Das gilt im besonderen 
für das Wahlrecht. Wohl aber habe ich jedem, der fragte, ob die O. H. L. 
eine Streikgefahr befürchte, geantwortet, daß meines Erachtens eine solche 
Gefahr nicht vorliege. Hier konnte ich nicht schweigen, denn es handelt 
sich im Gegensatz zum Wahlrecht um eine Frage von größter militärischer 
Bedeutung. 
In Verehrung bleibe ich Euer Exzellenz ergebenster 
gez. Ludendorff. 
3. 
Schriftwechsel mit dem Reichskagsabgeordneken Herrn Stresemann. 
Berlin, den 29. April 1918. 
An berrn Generalquarkiermeister Ludendorff. Großes Hauplquarkier. 
Euer Exzellenz wollen mir gestatten, Ihnen in nachfolgender Frage 
meine Ansichten und Sorgen über eine für die Entwicklung unserer inner- 
politischen und außenpolitischen Zukunft bedeutungsvolle Frage vorzu- 
tragen. 
In den Kreisen des Reichstages und Landtages wird verbreitet, 
daß eine Auflösung des Preußischen Abgeordnetenhauses im Falle der Ab- 
lehnung der Regierungsvorlage über das gleiche Wahlrecht nicht stattfinden 
würde, weil die Oberste Heeresleitung sich dem widerseltze. Es wird darauf 
hingewiesen, daß die Oberste Heeresleitung erkläre, ein Wahlkampf sei 
während des Krieges vom militärischen Standpunkt aus nicht zu dulden, da 
die Stimmung an der Front darunter leiden würde. Infolgedessen müßten 
die Wahlen bis nach Eintritt des Friedens verschoben werden. 
Es wird Euer Exzellenz nicht überraschen, daß diese Beweggründe, 
wenn sie in dieser Form richtig wiedergegeben sind, nicht von allen Seiten 
objektiv gewürdigt werden; infolgedessen macht sich jetzt schon das von 
ganz links stehender Seite geprägte Schlagwort breit: „Hindenburg und 
Ludendorff sind gegen das gleiche Wahlrecht“, und dieses Schlagwort ist ge- 
eignet, schwere Erschütterungen für den Siegeswillen der Nation herbei- 
zuführen. 
Gestatten mir Euer Exzellenz, auf die objektive Würdigung der Be- 
denken einzugehen, die nach Ansicht der Obersten Heeresleitung gegen einen 
Wahlkampf während des Krieges sprechen sollen. Ich verkenne nicht die 
äußerst unliebsamen Erschütterungen eines solchen Wahlkampfes und habe 
meinerseits erst vor kurzem die Hoffnung geäußert, daß es zu einer Einigung 
zwischen der Regierung und den Parteien kommen möge, da an einem
	        
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