298 XV. Zur Schaffung des Königreichs Polen
deutschen aufs engste verbindet. Deutschland muß ein
starkes Polen wünschen, das seine reichen geistigen und wirtschaft-
lichen Kräfte zur vollen Entfaltung bringt und sich in der Vereinigung aus
diesem Grunde wohl fühlt. Unter dem Schutze des mächtigen und im
eigenen Interesse die polnische Entwicklung fördernden Deutschlands
vermag Polen seine historische Mission der Ver-
teidigung von Mitteleuropa und seiner Kultur am
vollkommensten zu erfüllen. Macht man den Polen
Luft, gibt man ihnen ein weites Arbeitsfeld in den
wenig bevölkerten Bezirken des Östens, so wird auch
derletzte Grund für die bisherigen Kämpfe entfallen.
Aufzeichnung über die in Wien am 11. und 12. August 1916 zwischen dem
Reichskanzler v. Befhmann und Baron Burian geführten Verhandlungen.
Die Aufzeichnung ist in beiderseitigem Einverständnis erfolgt.
Es wurde Einigkeit darüber erzielt, daß ein selbständiges Königreich
Polen mit erblicher Monarchie und konstitutioneller Verfassung errichtet
werden soll. Über die Absicht der Gründung dieses Nationalstaates soll
baldmöglichst eine Kundgebung der beiden verbündeten Monarchen er-
folgen, während die Konstituierung des Staates selbst einem späteren Zeit-
punkt — nach Beendigung des Krieges — vorbehalten bleiben muß. So
lange der Krieg dauert, muß Polen Okkupations= bzw. Etappengebiet
bleiben. Hierbei wurde der Wunsch geäußert, daß die Zoll-- und Verkehrs-
schranken, die das deutsche und österreichisch-ungarische Gebiet jetzt trennen,
möglichst herabgesetzt werden. Die beiderseitigen Regierungen werden
hierüber in Verhandlungen treten.
Über die genaue Abgrenzung des neuen Staates, welcher in der Haupt-
sache aus Kongreßpolen zu bilden wäre, wird später Entscheidung getroffen
werden. Der deutsche Reichskanzler erklärte, daß zur militärischen
Sicherung der deutschen Grenze gewisse Abtren-
nungen des jetzigen rufssisch-polnischen Gebiets er-
forderlich sein würden, doch sollten dieselben auf
das unbedingt militärisch Notwendige beschränkt
werden. Das Gouvernement Suwalki wird dem
neuen Königreich nicht angehören. Baron Burian erklärte
sich prinzipiell hiermit einverstanden und behielt sich auch seinerseits die
vom österreichisch-ungarischen Standpunkt erforderlichen militärischen
Grenzberichtigungen vor. Er äußerte ferner den Wunsch, daß von
Litauen möglichst die Gebietsteile mit vorwiegend
polnischer Bevölkerung — vor allem die Stadt
Wilna — dem polnischen Staate zugeteilt werden.