Auffassung über Beginn des U.Bootkrieges 503
L. bedauert, daß die Frage auf das politische Geleise gekommen, er
betrachte sie rein militärisch. Bezüglich der Kriegsgefahr der Neutralen
könne man, wie das Schreiben des Admiralstabes zeige, ja anderer Ansicht
sein. Für ihn müsse das Urteil des leitenden Staatsmannes aber maß-
gebend sein. Er lege seinen Entschlüssen immer reale Verhältnisse zu-
grunde.
Ich: Der Chef des Admiralstabes glaube doch aber fest, daß die realen
Verhältnisse bei den Neutralen umgekehrt lägen, als der Kanzler sie
einschätzt.
L.: Er meine die realen Verhältnisse bezüglich unserer militärischen
Kraft. Wenn der Kanzler ihm sage, es bestehe die Gefahr, daß Dänemark
dann feindlich werde, könne er dieses nicht auf Grund einer anderen Ver-
mutung ignorieren. Dann käme er aber zu dem Ergebnis, daß wir vor-
läufig die erforderlichen Kräfte nicht hätten. Schuld seien die Österreicher:
2 Divisionen, die nach Siebenbürgen sollten, hätte er an deren Front ein-
setzen müssen, und nun könne er das, was er vorgehabt hätte, nicht aus-
führen. Die Westfront verlange Reserven. Erst wenn er die Sicherheit
hätte, daß alle unsere Fronten hielten, könne er ja sagen und würde es
dann mit Freuden tun. Er habe bei seinen Schlachten auch manches ris-
kiert, aber immer doch so, daß er die Überzeugung des Erfolges gehabt
hätte. Man müsse sich klar sein, daß unsere militärische Lage heute
schlecht sei.
Ich: Mehr als eine gewisse Kühnheit, die er bei seinen Entschlüssen
gewohnt sei, sei doch hier auch nicht erforderlich. Gerade wenn wir schlecht
ständen, sei es doch erwünscht, den Eindruck der Stärke durch den Entschluß
zum U-Bootkrieg zu erwecken.
L.: Ein solcher Bluff sei nicht Kühnheit, sondern Leichtsinn, und das
täte er nicht.
Ich: Man dürfe nicht vergessen, daß wir den Anfang des U-Boot-
Krieges etwa die ersten 6 Wochen in die gute Jahreszeit legen müßten.
L.: Ja, das sei bedauerlich. Ob wir uns nicht auf die Westküste be-
schränken könnten? Ob es uns so auf den holländischen Nordseehandel an-
komme?
Ich: Wir ließen ja den Neutralen einen freien Zugang zum Ozean.
Gerade an der Westküste, Cardiff, führen viele Neutrale. Die Holländer
würden nicht weniger traurig sein, wenn sie dort ein Schiff verlören, als in
der Nordsee.
L. gab dies zu.
Ich: Es werde ja auch einem Hinausschieben bis zur Präsidentenwahl
das Wort geredet. Das habe wenig Zweck. Die Wiederwahl Wilsons
sei wohl sicher, da die Wetten auf ihn jetzt 3: 1 ständen.