Antwort des Reichskanzlers an Generalfeldmarschall v. Hindenburg 307
einen anderen Standpunkt haben, als ich glaubte. Ich verstehe diesen
Standpunkt durchaus; um nun aber tatsächlich festzustellen, wie weit die
Verantwortung für den verschärften U-Bootkrieg bei der Obersten Heeres-
leitung liegt, würde ich für eine Außerung hierzu dankbar sein.
gez. v. Hindenburg.
Berlin, den 6. 10. 1916.
Der Reichskanzler an Generalfeldmarschall v. Hindenburg.
Euer Exzellenz beehre ich mich auf das geneigte Schreiben vom 5. d. M.
— 14 925 P — zu erwidern, daß ich bei den am 30. und 31. 8. in Pleß ab-
gehaltenen Besprechungen mit meinem endgültigen Urteil über die Führung
des unbeschränkten U-Bootkrieges, wie ich damals ausdrücklich betonte,
zurückgehalten habe, bis Euer Exzellenz dazu Stellung genommen hätten.
Euer Exzellenz gaben Ihren Standpunkt damals dahin zu erkennen, daß,
so sehr Ihnen an sich die Anwendung dieses schärfsten Kriegsmittels er-
wünscht sei, doch die ungeklärte militärische Lage namentlich im Hinblick auf
eine unfreundliche oder gar feindliche Haltung Hollands und Dänemarks
Ihnen die Abgabe eines Votums für oder wider noch nicht ermögliche. Auf
die in vertraulichen Besprechungen mit den Parteiführern und in den
gegenwärtigen Kommissionsverhandlungen des Reichstags an mich wieder-
holt und dringend gerichtete Frage über die Stellung der O. H. L., habe ich
demgemäß erwidert, daß diese zur Zeit aus militärischen Gründen ein ab-
schließendes Votum nicht abgegeben habe.
Im übrigen darf ich folgendes bemerken: Ein Befehl Seiner Majestät
des Kaisers zur Eröffnung des rücksichtslosen U-Bootkrieges ist an sich ein
Ausfluß militärischer Kommandogewalt. Da sich indessen der rücksichtslose
U-Bootkrieg nicht nur gegen feindliche, sondern auch gegen neutrale Schiffe
richtet, greift er unmittelbar in unser Verhältnis zu den neutralen Staaten
ein und stellt insofern einen Akt auswärtiger Politik dar. Überdies kann
der rücksichtslose U-Bootkrieg erst eröffnet werden, nachdem unsere den Ver-
einigten Staaten von Amerika gegebenen Zusagen über die Führung des
Unterseekrieges zurückgezogen und unsere mit Dänemark und Schweden ge-
troffenen Vereinbarungen entsprechend modifiziert sein werden. Auch das
sind Akte der auswärtigen Politik, für die ich, falls sie von Seiner Moajestät
befohlen werden, die alleinige und nicht übertragbare verfassungsmäßige
Verantwortung zu tragen habe, auch wenn für meine dereinstige Stellung-
nahme das Urteil Euer Exzellenz, wie ich wohl nicht ausdrücklich hervor-
zuheben brauche, von ganz besonderer Bedeutung sein wird. Schließlich
hoffe ich auf Euer Exzellenz Zustimmung zu der Auffassung, daß, selbst ab-
gesehen von der hier vorliegenden unmittelbaren Beteiligung der auswärti-
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