Das Friedensangebot 313
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Die Wilsonnote vom 18. 12. 1916, überreicht am 21. 12. 1916 in Berlin").
Der amerikanische Geschäftsträger in Berlin Berlin, den 20. 12. 1916.
an den Staatskanzler des Auswärtigen Amtes.
Der Präsident der Vereinigten Staaten hat mich beauftragt, bei der Kaiserlich
Deutschen Regierung mit Bezug auf den gegenwärtigen Krieg ein Verfahren in An-
regung zu bringen, von dem er hofft, daß die Kaiserlich Deutsche Regierung es in Er-
wägung ziehen werde als einen Vorschlag, der in freundschaftlichster Gesinnung gemacht
wird, und zwar nicht nur von einem Freunde, sondern zugleich von dem Vertreter
einer neutralen Nation, deren Interessen durch den Krieg ernstlichst in Mitleidenschaft
gezogen sind und deren Anteil an einer baldigen Beendigung des Krieges sich daraus
ergibt, daß sie offenkundig genötigt wäre, Bestimmungen über den bestmöglichen Schutz
ihrer Interessen zu treffen, falls der Krieg fortdauern sollte.
Der Präsident hat sich schon lange mit dem Gedanken getragen, den Vorschlag
zu machen, den ich die Weisung habe zu übermitteln. Er macht ihn im gegenwärtigen
Augenblick nicht ohne eine gewisse Verlegenheit, weil es jetzt den Anschein erwecken
könnte, als sei er von dem Wunsche angeregt, im Zusammenhang mit dem jüngsten
Vorschlag der Zentralmächte eine Rolle zu spielen. Tatsächlich ist der ursprüngliche
Gedanke des Präsidenten in keiner Weise auf diesen Schritt zurückzuführen, und der
Präsident hätte damit gewartet, bis jener Vorschlag unabhängig davon beantwortet
worden wäre, wenn nicht auch seine Anregung die Frage des Friedens beträfe, die am
besten im Zusammenhang mit anderen dahinzielenden Vorschlägen erörtert wird. Der
Präsident bittet nur, daß seine Anregung allein nach ihrem eigenen Wert und so
beurteilt werde, als wäre sie unter anderen Verhältnissen gemacht worden.
Der Präsident regt an, daß baldigst Gelegenheit genommen werde, von allen
letzt kriegführenden Staaten ihre Ansichten über die Bedingungen zu erfahren, unter
denen der Krieg zum Abschluß gebracht werden könnte, und über die Vorkehrungen,
die als Gewähr gegen seine Erneuerung oder die Wiederholung eines ähnlichen Kon-
fliktes in Zukunft für hinreichend gelten könnten, so daß sich die Möglichkeit böte, sie
offen zu vergleichen. Dem Präsidenten ist die Wahl der zur Erreichung dieses Zieles
geeigneten Mittel gleich. Er würde sich glücklich schätzen, in jeder annehmbaren Weise
selbst dazu beizutragen oder sogar die Initiative zu ergreifen. Er wünscht jedoch nicht
die Art und Weise und die Mittel zu bestimmen. Jeder Weg wird ihm recht sein,
wenn nur das große Ziel, das er im Auge hat, erreicht wird.
Der Präsident erlaubt sich, darauf hinzuweisen, daß die Ziele, die die Staats-
männer beider kriegführenden Parteien in diesem Kriege im Auge haben, dem Wesen
nach die gleichen sind, wie sie sie in allgemeinen Ausdrücken ihren eigenen Völkern und
der Welt kundgegeben haben. Beide Parteien wünschen für die Zukunft das Recht
und die Freiheiten schwacher Völker und kleiner Staaten ebenso gegen die Unter-
drückung oder Vernichtung gesichert zu sehen wie die Rechte und Freiheiten der großen
und mächtigen Staaten, die jetzt Krieg führen. Jeder wünscht sich neben allen anderen
Nationen und Völkern in Zukunft gegen eine Wiederholung von Kriegen wie der
gegenwärtige, sowie gegen Angriffe und eigennützige Störungen jeder Art gesichert
*) Charakteristisch für Wilson ist folgendes Telegramm des italienischen Bot-
schafters in Washington vom 31. Dezember 1916:
„Wilson, der inzwischen durch die -World seine Kampagne fortsetzen läßt, mahnt
daran, daß man die Kriege mit Geld ausführt, und wenn die Vereinigten Staaten
Amerikas auch kein Heer besitzen und ihre Flotte den Bestand der vereinigten alliierten
Flotte wenig erhöhen würde, so würde der Vereinigten Staaten Anschluß an die
Alliterten augenblicklich deren finanzielle Schwierigkeiten erleichtern.“
Besser kann die Haltung Wilsons nicht gezeigt werden. Damals stand Rußland
noch fest, und Wilson hielt eine militärische Hilfe noch für unnötig. Der Verfasser.