Ansprache Wilsons an den Senat 337
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festzusetzen, die ihnen einen Friedensschluß zu ermöglichen schienen. Ich sprach im
Namen der Menschheit und für die Rechte der neutralen Staaten, zu denen auch wir
gehören. Denn viele unserer wichtigsten Lebensinteressen werden durch den Krieg be-
ständig gefährdet. Die Mittelmächte erteilten eine Antwort, die lediglich ihre Bereit-
schaft erklärte, mit den Gegnern auf einer Konferenz über Friedensbedingungen zu
unterhandeln. Die Ententemächte haben viel bestimmter erwidert und haben, aller-
dings auch in allgemeinen Ausdrücken, aber mit einer Bestimmtheit, die auch Einzel-
heiten andeutete, die Vorkehrungen, Bürgschaften und Wiedergutmachungen festgesetzt,
die nach ihrer Ansicht die unerläßlichste Vorbedingung einer befriedigenden Schlichtung
des Streites sind. Wir sind so einer bestimmten Erörterung des Friedens, der diesen
Krieg beenden soll, viel näher gekommen. Wir sind so auch der Erörterung des inter-
nationalen Einvernehmens näher gekommen, das nachher den Weltfrieden sichern soll.
In allen Friedenserörterungen wird zugestanden, daß der Friede zu irgendeiner klaren
Vereinbarung der Mächte führen muß, die es praktisch unmöglich macht, daß wir
jemals wieder von einer solchen Katastrophe überwältigt werden. Jeder Freund der
Menschheit, jeder vernünftig denkende Mensch muß das für ausgemacht halten.
Ich habe diese Gelegenheit gesucht, zu Ihnen zu sprechen, weil ich es Ihnen als
dem mir beigestellten Organ für die endgültigen Beschlüsse über unsere internatienalen
Verpflichtungen schuldig zu sein glaubte, mit voller Offenheit die Gedanken und Ziele
zu enthüllen, die sich bei mir über die Pflichten unserer Regierung in den kommenden
Tagen gebildet haben, wenn man daran gehen wird, nach neuem Plan einen neuen
Frieden zwischen den Nationen zu begründen.
Es ist undenkbar, daß das Volk der Vereinigten Staaten an einem so großen
Unternehmen keinen Anteil haben sollte, denn an solch einem Dienst teilzunehmen, ist
die Gelegenheit, für die unser Volk sich stets durch die Grundsätze und Absichten seines
Staatsgedankens und durch die anerkannte Praxis seiner Regierung seit den Tagen
vorzubereiten suchte, da wir eine neue Nation gebildet haben, in der hohen und ehren-
haften Hoffnung, in allem, was wir waren und taten, der Menschheit den Weg zur
Freiheit zu zeigen. Wir können uns jetzt nicht in Ehren von der Mitarbeit zurück-
halten, zu der wir aufgefordert sind. Wir wünschen uns auch nicht zurückzuhalten, aber
wir schulden es uns selbst und den anderen Nationen der Welt, die Bedingungen zu
nennen, unter denen wir uns dazu bereit fühlen.
Der Dienst, den wir leisten, besteht in nichts Geringerem als dem folgenden:
Wir müssen unser Ansehen und unsere Macht denen der anderen Nationen zugesellen,
um Frieden und Gerechtigkeit auf der ganzen Welt zu verbürgen. Diese endgültige
Regelung kann nicht mehr lange hinausgeschoben werden. Es ist nur recht, daß unsere
Regierung vorher offen die Bedingungen formuliert, auf Grund deren sie sich be-
rechtigt fühlt, die Zustimmung unseres Volkes zu ihrem feierlichen und förmlichen
Anschluß an ein Friedensbündnis zu erbitten. Ich bin hier, um eine Zusammen-
stellung dieser Bedingungen zu versuchen:
Zuerst muß der gegenwärtige Krieg beendigt werden; aber die Aufrichtigkeit und
die gerechte Rücksicht auf die Meinung der Welt verpflichtet uns auszusprechen, daß es
Der italienische Botschafter in Petersburg Carlotti telegraphiert an Sonnino
am 183. 1. 1917:
„Der Botschafter der Vereinigten Staaten hat heute formell dem hiesigen Minister
des Außeren im Namen Wilsons erklärt, daß dieser entgegen den von mehreren Zeitun-
gen vertretenen Gerüchten nicht die Absicht hat, eine zweite Friedensnote an die krieg-
führenden Mächte zu richten.“
Was Wilson trotzdem zu dem Schritte veranlaßte, ist unklar; sicher ist, daß er über
unsere Absicht, den U-Bootkrieg vom 1. Februar ab von allen Einschränkungen befreit
zu führen, unterrichtet war. Gerard bezeugt dies. Außerdem ist die Vermutung be-
rechtigt, daß sämtliche Telegramme, die über die englischen Kabel gehen mußten, ent-
ziffert wurden. Der Verfasser.
Urkunden der Obersten Heeresleitung 1916—1918. 22