396 XVIII. Zur Kanzlerkrise und Friedensresolution Juli 1917
mit voller Energie und genügend lange fortgesetzt wird. Ein Mittel zur
massenweisen Zerstörung unserer Unterseeboote dergestalt, daß ihre Gesamt-
zahl sinkt, gibt es zur Zeit nicht und wird es hoffentlich auch für längere
Zeit nicht geben. Die Schiffsverluste durch Neubauten in einem solchen
Maße auszugleichen, daß dadurch unser Enderfolg in Frage gestellt wird,
ist ausgeschlossen"). Unsere Feinde werden somit in absehbarer Zeit nicht
mehr über denjenigen Schiffsraum verfügen, der nötig ist, um einerseits
genügende Verpflegung und Rohstoffe zuzuführen, anderseits große
Menschenmassen und Kriegsgerät in einem für entscheidende Schläge not-
wendigen Maße über See zu führen und dauernd zu ergänzen. Unter
diesem Gesichtspunkt muß namentlich die Hilfe Amerikas angesehen
werden.
Vor allem aber erhebt sich für unsere Feinde die Zukunftsgefahr einer
derartig großen Verringerung des Schiffsraums, daß sie nach dem Krieg
den für ihr Dasein unbedingt nötigen Seeverkehr nicht mehr bewältigen
können. Diese Gefahr ist am größten für England, dessen Weltreich
von der Aufrechterhaltung des Seeverkehrs abhängt.
Diese Gefahren werden sicher von klardenkenden Leuten unter unseren
Feinden erkannt. Wenn sie trotzdem — ich denke dabei vor allem an
England, Frankreich und die Vereinigten Staaten — für die Fortsetzung
des Krieges sind, so rechnen sie darauf, daß der Zusammenbruch
Deutschlands und seiner Bundesgenossen vor dem
eigenen erfolgt. Diesen Zusammenbruch erhoffen sie vielleicht mili-
tärisch durch einen Sieg zu Lande herbeizuführen; vor allem aber erwarten
sie ihn in wirtschaftlicher und innerpolitischer Beziehung, d. h. durch Er-
nährungsschwierigkeiten und Rohstoffmangel, durch Uneinigkeit, Unzu-
friedenheit und den Sieg der deutschen radikalen Sozialdemokratie. Sie
gründen sich dabei auf das Nachlassen unserer inneren Widerstandskraft,
auf das Anwachsen internationaler Strömungen, auf unsere Ernährungs-
lage und auf unsere, leider von vielen Stellen laut verkündete, Friedens-
sehnsucht.
So lange unsere Feinde an diesen Hoffnungen festhalten, werden sie
hartnäckig den Krieg fortsetzen, denn der Unterschied, der besonders für
unsere westlichen Gegner beim Friedensschluß darin besteht, ob Deutschland
zusammengebrochen ist oder nicht, ist ungeheuer. Nur von einem am
Boden liegenden Deutschland kann England die Erfüllung seiner wichtigsten
Kriegsziele — Aufrechterhaltung der Seeherrschaft durch Ausscheiden der
U--Boote als Kriegs= und Handelsmittel, Zerstörung der deutschen Wirt-
schaftskonkurrenz — und Frankreich einen Frieden, der der nationalen
*) Dies hat sich auch als richtig erwiesen, trotzdem vielfach das Gegenteil behauptet
ist. Der Verfasser.