Entgegnung der O. H. L. auf das Schreiben des Reichskanzlers vom 25. Juni 401
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Chef des Generalstabes des Feldheeres. Gr. H. Qu., den 7. 7. 1917.
II Nr. 58 049 op. "
Zum Schreiben R. K. Nr. 13 370.
An den Reichskanzler.
Auf Euer Exzellenz Schreiben vom 25. 6. beehre ich mich zu erwidern:
Ich stimme Euer Exzellenz darin zu, daß die Stimmung in der Heimat
zweifellos herabgedrückt ist. Den Grund hierfür sehe ich jedoch nicht, wie
Euer Exzellenz, in erster Linie in getäuschten Hoffnungen auf ein frühes
Kriegsende, sondern in bedeutend höherem Maße in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten und in innerpolitischen Unstimmigkeiten. Das geht meines
Erachtens unter anderem aus den mir regelmäßig im Auszug zugehenden
Berichten der stellvertretenden Generalkommandos und auch aus dem Ge-
samtbild der Presse zweifelsfrei hervor.
Das Volk ist mit Recht empört darüber, daß Versprechungen auf dem
Gebiet der Ernährung nicht gehalten werden konnten. Es ist bereit,
jeder Möglichkeit offen in das Gesicht zu blicken, wenn sie ihm un-
geschminkt dargestellt und es selbst davon überzeugt wird, daß die Regierung
ihr möglichstes tut, um vermeidbare Schäden abzuwenden; auch muß es
sehen können, daß überall gerecht verfahren wird. Das Nichtinnehalten
der Versprechungen hat aber das Vertrauen des Volkes in die berufenen
Führer — die Beamtenschaft — schwer untergraben; auch sieht die Be-
völkerung, daß dem Wucher, dem Ketten= und Schleichhandel nicht mit
Erfolg entgegengetreten wird. Es ist ferner kaum zu bestreiten, daß auf
dem Gebiet des Ersatzfuttermittelwesens und der Trocknung der Nahrungs-
mittel schneller und ergiebiger hätte gearbeitet werden müssen.
Euer Exzellenz erwähnen im einzelnen die Kohlenversorgung. Ich
habe bereits Ende des Jahres 1916 während meiner Anwesenheit in Berlin
mündlich die in Betracht kommenden Stellen der Regierung auf die Notwen-
digkeit durchgreifender Maßnahmen in der Kohlenversorgung hingewiesen;
ich habe am 20. 2. 1917 schriftlich unter II 47915 op. meine Ansicht wieder-
holt, daß ein Kohlenkommissar nunmehr beschleunigt eingesetzt werden müsse,
und dabei betont, daß nur eine ganze Persönlichkeit mit weitestgehender
Vollmacht die Aufgabe bewältigen könne. Die Ereignisse haben gezeigt,
daß jedenfalls die Persönlichkeit des bisherigen Kohlenkommissars nicht
ausreichte; ob seine Vollmachten genügende waren, ist mir sehr zweifelhaft.
Jetzt kann ich nur hoffen, daß der neue Kohlenkommissar der geeignete
Mann ist, und daß seine Tüchtigkeit nicht durch Ressortschwierigkeiten be-
einträchtigt wird. Wenn nunmehr das alleinige Heil in der sofortigen
Freigabe von 50 000 Facharbeitern aus dem Feldheer gefunden wird, so
muß ich mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß eine solche Abgabe in
Urkunden der Obersten Heeresleitung 1916—1918. 26