408 XVIII. Zur Kanzlerkrise und Friedensresolution Juli 1917
Herr Ballin hält am Abend Seiner Mojestät Vortrag.
9,30 abends trifft durch Fernsprecher Befehl bei der O. H. L. ein, sich
sofort nach Berlin zu begeben.
Der Kanzler reichte am 12. ein zweites Abschiedsgesuch ein.
Am 13. 7. 9,58 Uhr vormittags trifft O. H. L. in Berlin ein, am
Bahnhof durch General Frhrn. v. Lyncker empfangen. Um 11 Uhr vor-
mittags Meldung bei Seiner Majestät im Schloß Bellevue. Das Abschieds-
gesuch des Kanzlers war bereits genehmigt.
Am 14. 7. wurde Unterstaatssekretär Dr. Michaelis zum Reichskanzler
ernannt.
6.
Prokokoll vom 12. 7. 1917 über die Außerungen der Parlamentarier
vor Sr. Kaiserl. Hoheit dem Kronprinzen.
Niedergeschrieben von Oberst Bauer.
1. Graf Westarp. Pält die Beseitigung des Kanzlers aus ver-
fassungsrechtlichen Gründen nicht für nötig. Er hält ihn aber für unge-
eignet zur Lösung der schweren Lage, in der wir uns befinden. Westarp
wendet sich gegen das gleiche Wahlrecht in Preußen, das er für ein Unglück
für Preußen und Deutschland ansieht. Desgleichen hält er eine Parlamen-
tarisierung für falsch, weil die Rechte der Krone dadurch geschmälert
werden.
Schließlich hält er einen Kanzler, der die Reichstagsfriedensresolution
billigt, für unmöglich und kann ihn nicht stützen. Er sieht in der Reso-
lution Stärkung des Gegners und dadurch ein Indenrückenfallen des
Heeres, das so wacker kämpft.
Also: dem Kanzler fehlt Fähigkeit und Kraft, es trennt ihn seine
demokratische Gesinnung. Er hält ihn für ganz ungeeignet, die Reichs-
kanzlergeschäfte zu führen.
2. Stresemann. Die Partei hält Kanzlerwechsel für das
Nötigste, was es gibt. Er hat im Volk eine Stimmung einreißen lassen,
die geradezu gefährlich ist. Kein Mensch hat Vertrauen zu ihm und zu
seiner Regierung. Diese Stimmung darf nicht sein, sonst haben wir ver-
spielt. Er hat immer flau gemacht, selbst nach großen militärischen Er-
folgen, z. B. Rumänien. Was hätte Briand wohl daraus gemacht? Beth-
mann Hollweg hat das Volk nicht geführt, so daß es nur in Alltagssorgen
lebt. Er übernimmt keine Verantwortung, er hat keine Gedanken, läßt
alles laufen. Alles hat den Eindruck, daß ihm nichts gelingt und wir
niederbrechen müssen.