Protokoll des Majors v. Harbou über Besprechung der O. H. L. mit Abgeordneten 415
Wie wird es im Frühjahr stehen, wenn wir nicht zum Frieden
kommen? Der Gedanke an einen Winterfeldzug ist ungeheuer schwer zu
tragen.
Es hungern viele. Stimmung ist verzweifelt. Kommt der Friede
nicht bald, so kann es zum Zusammenbruch kommen. Wir müssen
bekunden: Wir führen Verteidigungskrieg, alldeutsche Ziele sind nicht die
unsern, wir kämpfen für Haus und Hof, aber dafür bis zum letzten Bluts-
tropfen. Was nützen uns auch sogenannte strategische Grenzen; der Begriff
der Festungen ist doch überholt. Wir dürfen den Krieg nicht durch Ver-
langen nach Eroberungen und Entschädigungen verlängern. Sprechen
wir das aus, so kann der feindliche Zusammenbruch
kommen.
Abgeordneter Ebert: Den feindlichen Führern wird die Fort-
setzung des Krieges erschwert, wenn wir die Resolution herausgeben. Die
russischen Sozialisten wollen die übrigen Ententestaaten zur Verzicht-
erklärung zwingen. Bezeichnend ist auch die Rede Thomas'. Wir
müssen den Moment ausnutzen“).
*) Der Abgeordnete Ebert gab sich hier einer schweren Täuschung hin. Er ver-
darb, was er erstrebte. Noch kurz vorher hatte der sozialdemokratische Parteivorstand
annähernd richtig gesehen. In dem Heft „Die Kriegspolitik der Partei im Lichte der
wirtschaftlichen Tatsachen. Ein Appell an Denkendel“ schildert er richtig die Gefahr
einer Niederlage für den deutschen Arbeiter, an der dieser mit seinem persönlichen
Schicksal, das Kapital nur sachlich interessiert sei. Er schließt:
„Aber man komme uns nicht mit dem Einwand, es sei ganz und gar aus-
geschlossen, daß die Feinde ein solches Ziel — Vernichtung der deutschen Wirtschafts-
macht — erreichten. Deutschland steht mit seinen Verbündeten einsam in der Welt,
es steht einer Koalition gegenüber, deren Volkszahl und Kapitalmacht der seinigen
mehrfach überlegen ist, und die über die Hilfe aller anderen Länder verfügt. Trotz-
dem glauben auch wir, daß es den Feinden nicht gelingen wird, uns ihre Kriegsziele
aufzuzwingen — aber diese Zuversicht steht und fällt mit der Ein-
mütigkeit des deutschen Volkes. Nur dieser Einmütigkeit hat es Deutsch-
land zu danken, daß es sich der Feinde bisher erwehren konnte. Handelten wir so,
wie es die Opposition verlangt, schlössen wir, die stärkste Massenpartei Deutschlands,
uns von dieser Einmütigkeit aus, gäben wir, wie es die Opposition fordert, das
Signal zur Störung des einmütigen Verteidigungswillens, dann wäre Deutschlands
Schicksal besiegelt. Solange unser Volk in allen seinen Schichten nach außen einig
bleibt, halten wir die Gefahren der wirtschaftlichen Erdrosselung in der Tat für ziem-
lich fern; sobald diese Einigkeit aber verlorengeht, steht sie in furchtbarstem Ernst vor
uns und hinge nur noch von dem Willen der feindlichen Koalition ab.
Man kann unsere Haltung nur durch eins ins Unrecht setzen, nämlich durch den
Nachweis, daß die feindlichen Regierungen nicht das Kriegsziel haben, Deutschlands
Wirtschaftsmacht vernichtend zu treffen, daß sie im Gegenteil bereit seien, einen Frieden
zu schließen, der unserem Lande auch nur die gleiche wirtschaftliche Bewegungsfreiheit
ließe, die es vor dem Kriege hatte. Wäre es dies nachgewiesen — dann, ja dann
müßten wir all unseren Einfluß aufbieten, um dem Kriege auch gegen den Willen
der Regierung ein Ende zu machen! Wer aber nicht die ganze Kriegs-
zeit verschlafen hat, der kann über die Absicht der feind-
lichen Regierungen nicht mehr im Zweifel sein. Nach dem
Hohn, mit dem man von drüben das deutsche Friedens-