Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

424 XIX. Der Friedensvorschlag des Papstes und der „englische Friedensfühler“ 
  
  
keit kund. Wer immer indes unserem Walten während dieser drei jüngstverflossenen, 
schmerzensreichen Jahre mit Aufmerksamkeit folgte, konnte leicht inne werden, daß wir 
unserem Entschluß, vollkommen Unparteilichkeit zu wahren, ebenso treu blieben wie 
unserem Bemühen, hilfreich zu sein; daß wir unentwegt die Völker und deren Häupter 
ermahnten, wieder Freunde und Brüder zu werden. Gegen das Ende des ersten 
Kriegsjahres richteten wir an die kämpfenden Völker die eindringlichsten Mahnungen 
und wiesen ihnen auch den Weg zu einem dauernden und für alle ehrenvollen Frieden. 
Doch leider verhallte unser Ruf, ohne Gehör zu finden, und der Krieg tobte er- 
barmungslos zwei weitere Jahre fort, mit allen seinen Greueln, ja sogar mit ge- 
steigerter Grausamkeit, und dehnte sich weiter aus vom Festland aufs Meer und bis 
in die Lüfte. Vernichtung und Tod warf er auf unbefestigte Städte, auf friedliche 
Dörfer und deren unschuldige Einwohnerschaft. Niemand vermag sich auch nur vor- 
zustellen, wie die Leiden aller sich vermehren und erschweren würden, wenn diesen 
blutüberströmten drei Kriegsjahren sich noch weitere Monate anschlössen oder gar, was 
das Schlimmste wäre, weitere Jahre. Soll denn die zivilisierte Welt nichts mehr sein 
als ein Leichenfeld' Europa, so glorreich und blühend, soll es denn, wie von all- 
gemeinem Wahnsinn erfaßt, dem Abgrund zustürzen, Selbstmord begehen? 
In dieser so qualvollen Lage, angesichts so schwerer Gefahren erheben wir von 
neuem den Ruf nach Frieden und erneuern unsere dringenden Aufforderungen 
an die, denen die Geschicke der Völker anvertraut sind. Wir haben überhaupt kein 
politisches Sonderziel, noch beeinflussen uns Einflüsterungen oder Be- 
strebungen der im Kriege befindlichen Staaten. Es leiten uns vielmehr einzig und 
allein das Bewußtsein höchster Pflicht des gemeinsamen Vaters aller Gläubigen, die 
eindringlichen Bitten unserer Kinder, die uns um Friedensvermittlung anflehen, endlich 
die Stimme der Menschlichkeit und der Vernunft. Wir wollen uns nun aber nicht 
mehr auf allgemeine Mahnungen beschränken, wie es die Umstände bisher uns nahe- 
legten, wir wollen zu genaueren und durchführbaren Vorschlägen fortschreiten. Wir 
laden die Regierungen der kriegführenden Völker ein, sich über die folgenden Leit- 
sätze zu einigen, welche die Grundlage eines gerechten und dauerhaften Friedens zu 
bilden geeignet scheinen. Den Regierungen überlassen wir die Sorge, sie zu umgrenzen 
und zu ergänzen. 
Vor allem wäre als Ausgangspunkt und Grundlage anzusehen, daß an die Stelle 
der materiellen Gewalt der Waffen trete die sittliche Macht des Rechtes. Daraus ließe 
sich ein gerechtes und gemeinsames Abkommen ableiten betreffs der gleichzeitigen und 
gleichmäßigen Verminderung des Rüstungswesens. Die Regeln und die 
Bürgschaften, die dabei festzusetzen wären, hätten ihr Maß und ihre Norm darin, 
daß alles geschehen muß, was erforderlich ist und ausreicht, um die öffentliche Ord- 
nung in jedem Staat sicherzustellen. Dann, an die Stelle der Heere trete die Ein- 
richtung des Schiedsgerichts. Seine erhabene Aufgabe, den Frieden zu er- 
halten, führt es nach vereinbarten Vorschriften aus und wendet die gegen jenen Staat 
bestimmten Maßregeln an, der sich entweder weigert, internationale Fragen dem 
Schiedsgericht anheim zugeben oder dessen Spruch anzunehmen. Ist einmal die Vor- 
herrschaft des Rechtes festgestellt, mögen alle Schranken der Völkerverkehrswege fallen, 
indem man die wahre Freiheit der Meere, die allen gehören (communité des 
mers), durch bestimmte Verfügungen sicherstellt, womit einerseits viele Anlässe zu 
Streitigkeiten ausgeschaltet, anderseits allen neue Quellen des Wohlstandes und des 
Fortschrittes geöffnet würden. 
Betreffs des Schadenersatzes und der Kriegskosten sehen wir kein 
anderes Mittel, die Frage zu lösen, als die grundsätzliche Annahme vollständigen 
gegenseitigen Verzichtes. Die Rechtfertigung liegt in den ungeheuren Wohltaten, die 
mit der Abrüstung gegeben sind, und zumal darin, daß die Fortführung eines solchen 
Gemetzels einzig und allein wegen Geldfragen unbegreiflich erscheinen müßte. Gibt 
es in einzelnen Fällen Gegengründe und Sonderansprüche, mögen diese nach Recht 
und Billigkeit erwogen werden.
	        
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