426 XIX. Der Friedensvorschlag des Papstes und der „englische Friedensfühler“
Wiederherstellungen und Entschädigungen sie bereit sind, und durch welche Mittel
in Zukunft die Welt vor Wiederholungen der Greuel, unter denen sie jetzt leidet,
bewahrt werden könnte. Selbst hinsichtlich Belgiens — und in diesem Punkte haben
diese Mächte selbst anerkannt, im Unrecht zu sein — ist uns niemals eine bestimmte
Erklärung über ihre Absicht bekannt geworden, seine völlige Unabhängigkeit wieder-
herzustellen und die Schäden wieder gutzumachen, die sie das Land ertragen lassen.
Eurer Eminenz dürften zweifellos die Erklärungen gegenwärtig sein, die von
den Alliierten in Beantwortung der Note Präsident Wilsons abgegeben worden sind.
Weder von Österreich noch von Deutschland ist jemals eine dahinlautende Erklärung
erfolgt. Ein Versuch, die Kriegführenden in Übereinstimmung zu bringen, erscheint
so lange vergeblich, als wir nicht über die Punkte im klaren sind, in denen ihre
Ansichten auseinandergehen.“
4.
Brief des Nunkius Pacelli an den Reichskanzler Dr. Michaelis.
München, den 30. August 1917.
Euere Exzellenz!
Ich habe die hohe Ehre, anliegend Euerer Exzellenz die Abschrift eines Tele-
gramms (s. vorstehend Nr. 3. Der Verfasser.) zu übermitteln, das von Seiner Exzellenz
dem Herrn Gesandten Seiner Majestät des Königs von England bei dem Heiligen Stuhle
Seiner Eminenz dem Herrn Kardinalstaatssekretär übergeben wurde, die französische
Regierung schließt sich den im gleichen Telegramm ausgeführten Darlegungen an.
Seine Eminenz ist voll des Verlangens, jene Bemühungen für baldige Er-
reichung eines gerechten und dauerhaften Friedens wirksam fortzusetzen, welchen an-
zunehmen die kaiserliche Regierung so entgegenkommende Bereitwilligkeit an den Tag
gelegt hat. Darum hat mich Seine Eminenz beauftragt, die Aufmerksamkeit Euerer
Exzellenz in besonderer Weise auf den Punkt hinzulenken, welcher sich auf Belgien
bezieht, und zu erreichen: 1. eine bestimmte Erklärung über die Absichten der kaiser-
lichen Regierung bezüglich der vollen Unabhängigkeit Belgiens und der Entschädigung
für den in Belgien durch den Krieg verursachten Schaden; 2,. eine gleichfalls be-
stimmte Angabe der Garantien für politische, ökonomische und militärische Unab-
hängigkeit, welche Deutschland verlangt. Sei diese Erklärung befriedigend, so meint
Seine Eminenz, daß ein bedeutender Schritt zu weiterer Entwicklung der Verhand-
lungen gemacht würde. Tatsächlich hat der erwähnte Gesandte von Großbritannien
seine königliche Regierung bereits verständigt, daß der Heilige Stuhl auf die im an-
gegebenen Telegramm enthaltenen Mitteilungen antworten wird, sobald er seinerseits
durch meine Vermittlung die Antwort der kaiserlichen Regierung erhalten haben wird.
Meinerseits möge es mir gestattet sein, der festen Überzeugung Ausdruck zu
geben, daß Euere Exzellenz, bei deren Eintritt in die allerhöchste Stelle unter wohl-
erwünschtem Zusammentreffen der hochgeschätzte päpstliche Vorschlag erschienen ist, und
welche so günstige Gesinnungen in bezug auf dieses Friedenswerk gezeigt hat, sich
unsterbliche Verdienste erwerben wird um das Vaterland und um die ganze Mensch-
heit, wenn mit einer versöhnlichen Antwort der gute Fortgang der Friedensunter-
handlungen erleichtert wird.
In solcher Erwartung ist es mir sehr angenehm, der Gesinnung höchster Wert-
schätzung Ausdruck zu geben, und habe ich die Ehre, zu verharren als
Euerer Exzellenz
ergebenster
gez. Eugen Pacelli, Erzbischof von Sardi,
Apostolischer Nuntius.