Mein Vortrag im Kronrat am 11. September 1917 429
michbewegte. JIch habe ihn hier in Bezug auf Longwy—Briey, auf
Landwirtschaft und Überseehandel erweitert.
Unsere Lage im Innern ist nach Angabe der Ressortvertreter schwierig
in bezug auf Futter und Kohle, in bezug auf Kohle leider nicht unverschuldet
durch Versäumnisse in früheren Monaten. Unsere Finanzwirtschaft ist
außerordentlich angespannt. Durch die Reichstagsmehrheit ist unsere Lage
im Innern zu einer wenig erfreulichen gemacht. Die Arbeiter= und damit
auch die Ersatzfrage hat sich verschärft. Ich meine aber, diese inneren
Schwierigkeiten müssen durch die feste Leitung der jetzigen Regierung über-
wunden werden. Möglich ist es.
Österreich-Ungarn ist, wie ich es hier nicht näher erläutern will, für die
nächsten Monate durchaus an uns gefesselt. Auch Bulgarien wird ent-
gegenkommender, nachdem westlich des Ochrida-Sees die Franzosen lokale
Vorteile errungen haben. Der Türken sind wir vorläufig sicher. Daß
unsere militärische Lage gefestigt ist und der U-Bootkrieg wirkt, brauche ich
nicht weiter auszuführen.
Demgegenüber ist die Lage der Entente erheblich schwieriger.
Rußland treibt der inneren Auflösung immer schärfer entgegen.
Damit scheidet es als vollwertiger Gegner immer mehr aus. Die inneren
Zustände müssen eine Verpflegungs= und Heizmittelkrise im Winter mit
Belgrad. Um Bulgarien zu befriedigen, will Baron Burian diesem ev. noch mehr Land
als vereinbart zugestehen. Das wiederhergestellte restliche Serbien soll wirtschaftlich
eng an die Monarchie angeschlossen werden.
5. Wiederherstellung des Königreichs Montenegro unter Abtretung gewisser Ge-
bietsteile an Österreich-Ungarn und Albanien.
6. Selbständigkeit Albaniens unter österreichischem Protektorat.
7. Strategische Grenzverbesserungen gegen Italien (einzelne unfruchtbare Berge).
Für die Abmachungen im Dezember 1916 und meine Stellungnahme im Sep-
tember 1917 hielt ich mich an das Ergebnis der Reichstagssitzung vom 5. April 1916.
Der Reichskanzler führte aus:
„Das Belgien nach dem Kriege wird nicht mehr das alte vor dem Kriege sein..
Wir werden uns reale Garantien dafür schaffen, daß Belgien nicht ein englisch-
französischer Vasallenstaat, nicht militärisch und wirtschaftlich als Bollwerk gegen
Deutschland ausgebaut wird.“
Abgeordneter Spahn sagt in der gleichen Sitzung: „Der Krieg muß mit einem
greifbaren Ergebnis enden. Nun hat uns der Herr Reichskanzler nach dem Osten
hin das greifbare Ergebnis gezeigt. Nach dem Westen hat er sich vorsichtiger aus-
gedrückt. Belgien, ein Avulsum imperii, dürfe kein Bollwerk Englands bleiben; das
hat zur notwendigen Folge, daß es politisch, militärisch,
wirtschaftlich in unserer Hand zu liegen kommen wird. (LBei-
fall.) Dabei bleibt die staatsrechtliche Organisation dieses Landes unberührt. Darüber
mag der wirklich geschlossene Frieden seinerzeit entscheiden. Wir wollen — das wieder-
hole ich mit dem Herrn Reichskanzler — keinen Eroberungskrieg. Aber nun müssen
wir unsere Grenzen berichtigen nach unseren eigenen Inter-
essen. Unsere Gegner dürfen nicht in ihrem politischen
militärischen Kern unangetastet bleiben.