Mein Vortrag im Kronrat am 11. September 1917 431
Ohne Rumänien und die anderen besetzten Gebiete wären wir in eine
hochbedenkliche Verpflegungslage gekommen. Auch mit Rumänien ist sie
ernst genug geblieben. Sie würde sich noch verschärfen, wenn wir, wie wir
später hoffen müssen, Belgien zu verpflegen haben. Dies könnten wir zur
Zeit nicht. Wir müssen daher einen Zuwachs an Land erhalten. Dieses
finden wir nur in Kurland und Litauen, die gute landwirtschaftliche Mög-
lichkeiten bieten. Bei der Haltung Polens müssen wir aus militärischen
Rücksichten die Grenze Litauens über Grodno nach Süden schieben und Ost-
und Westpreußen etwas verbreitern. Erst dann können wir Preußen
schützen. Auch an einigen Stellen der Provinz Posen läuft die Grenze mili-
tärisch zu ungünstig.
Ob wir mit Kurland auf die anderen Ostsee-Provinzen anziehend
wirken, muß der weiteren politischen Entwicklung überlassen bleiben.
Wie günstig ein besserer Lebensmittelbestand unser Verhältnis zu den
neutralen Staaten beeinflussen würde, soll hier nur gestreift werden. Korn
und Kartoffeln sind Macht, wie Kohle und Eisen.
Unsere Bodenschätze und unsere Industrie liegen an den Grenzen des
Reiches so ungünstig wie möglich. Regierung und Reichstag hatten die
schwierige Lage des oberschlesischen Kohlenbeckens schon vor dem Kriege
erkannt und Standorte dort vermehrt und verstärkt. Dies allein genügt
nicht, wir müssen Oberschlesien auch durch Landgewinn schützen. Eine Liqui-
dation der dort liegenden, in feindlichem Besitz befindlichen Werke mit
Übergang in deutsche Hand würde dies erleichtern.
Im Westen haben wir die beiden großen Zentren der lothringisch-
luxemburgischen Erzbecken mit dem Saarrevier und das niederrheinisch-
westfälische Industriegebiet, das sich nach der belgischen und holländischen
Grenze zu immer mehr ausbauen wird. Die Gefährdung dieser Gebiete ist
in diesem Kriege nicht in Erscheinung getreten, weil wir im Aufmarsch der
Entente zuvorgekommen sind. Außerdem war die Bedeutung der Indu-
striegebiete anfangs überhaupt nicht voll erkannt. Hieran besteht jetzt kein
Zweifel, und es muß damit gerechnet werden, daß unsere Feinde alles ver-
suchen werden, uns in diesen Gebieten zu treffen. Würde nur dies ge-
lingen, so wären wir nicht in der Lage, einen Verteidigungskrieg zu führen.
Wir wären auch wirtschaftlich erledigt. Die inneren politischen Folgen
brauche ich nicht zu erörtern.
Der sichere Schutz dieser beiden Gebiete ist für uns eine Lebensfrage.
Wir müssen hier das erreichen, was wir irgend erreichen können und wozu
unsere Lage berechtigt. Erreichen wir nichts, so kann an unsere Lage nur
mit schwerer Sorge gedacht werden, und es wäre vorzuziehen, weiterzu-
kämpfen und noch nicht an Frieden zu denken. Wir müssen uns klar dar-
über sein, daß das, was wir nicht erreichen, im Frieden durch hohen mili-