Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

462 XXI. Verschiedenes aus der ersten Jahreshälfte 1918 
  
  
Mindestmaß sei, habe ich, da es sich um eine vorwiegend militärische Frage 
handelt, selbständig zu entscheiden nie die Absicht gehabt. Es war dies 
eine derjenigen Fragen, bei denen infolge der innigen Verschmelzung po- 
litischer und militärischer Gesichtspunkte nur die Krone in letzter Instanz 
und endgültig entscheiden konnte. Da anderseits die Verhandlungen mit 
Österreich, an deren Fortgang Euer Mojestät ein Allerhöchstpersönliches 
Interesse nahmen, wegen mangelnder Übereinstimmung in der Grenzfrage 
schon seit mehreren Monaten in der Schwebe blieben, haben Euer Ma- 
lestät, ohne daß ich oder Herr v. Kühlmann auf die geographischen Einzel- 
heiten dieser Entschließung irgendwelchen Einfluß gehabt hätten, die künf- 
tige Grenzführung Allerhöchstselbst festgesetzt, Sich aber bereit erklärt, diese 
Festlegung einer nochmaligen näheren Bearbeitung unterworfen zu sehen. 
Ich muß nur hervorheben, daß auch mit Rücksicht auf die schon oben 
erwähnte Beteiligung des Reichstags und des preußischen Landtags bei 
etwaigen Annexionen es mir empfehlenswert erscheint, sich mit einem wirk- 
lichen Minimalprogramm zu begnügen. Selbst dieses Minimalprogramm 
den Polen gegenüber durchzusetzen, wird große Kämpfe kosten und Schwie- 
rigkeiten machen. Ich kann übrigens, so hoch ich den militärischen Wert 
der Erwerbung gewisser Grenzschutzstreifen auch einschätze, keinesfalls zu- 
geben, daß wegen eines geringen Plus oder Minus dieser Streifen die ge- 
samte deutsche Politik aus ihrer Bahn geworfen werden sollte. Das Ver- 
hältnis zu Österreich-Ungarn") ist das Pivot der gesamten deutschen Politik. 
Dieses Verhältnis politisch, militärisch und ökonomisch zu festigen und aus- 
zubauen, ist der wichtigste Kardinalpunkt der gesamten auswärtigen Po- 
litik Euer Majestät. Zur Durchführung dieses völlig grundlegenden Pro- 
grammpunktes bedarf es aber einer Lösung der polnischen Frage, die mit 
den österreichischen Lebensinteressen vereinbar ist. Je mehr durch die 
Haltung unserer Gegner im Westen die Notwendigkeit für uns hervortritt, 
den Krieg durch entscheidende Waffenerfolge im Westen und volle Aus- 
wirkung des U-Bootkrieges zu beendigen, desto größer wird die Bedeutung 
des Festhaltens an unserer bisherigen Bündnispolitik. Eine Verständigung 
mit den Westmächten nach dem Kriege, die es uns möglich machen würde, 
auf starke militärische Sicherungen gegen sie zu verzichten, wird immer un- 
wahrscheinlicher. Wir müssen daher zunächst unsere Politik nach einem 
guten Verhältnis zu Rußland orientieren und an dem Bündnis mit Öster- 
reich-Ungarn festhalten, um so mehr, als daran der geographischen Lage 
nach auch die Auswertung unseres Bündnisverhältnisses zu Bulgarien und 
der Türkei hängt. Eine Lösung der polnischen Frage, die den Keim zu- 
künftiger Konflikte mit Polen und im weiteren Verlauf mit Österreich- 
*) Damals wurde noch die austropolnische Lösung von der Reichsregierung verfolgt. 
Anfang Februar bereits sprachen sich verschiedene Staatssekretäre gegen diese Lösung aus. 
Der Verfasser.
	        
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