466 XXI. Verschiedenes aus der ersten Jahreshälfte 1918
die nach außen als Schwäche oder Nachgiebigkeit erscheinen, ihrem inneren
Wert nach aber das Ergebnis staatsmännisch weitblickender Überlegung
sind. Die Verantwortung hierfür zu übernehmen, muß sie stark genug sein,
selbst wenn erst spätere Generationen den Sinn und die Richtigkeit des von
ihr eingeschlagenen Weges zu erkennen in der Lage sein werden.
Zum Schluß ihrer Ausführungen weist die Denkschrift auf die Ver-
schiedenheit der Anschauungen des Generalfeldmarschalls und des Generals
Ludendorff einerseits und des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes
anderseits hin. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes treibt aber
keine eigene Politik, er führt die von mir auf Befehl Euer Maoajestät ge-
leitete Politik aus. Ich darf aber für mich in Anspruch nehmen, daß ich
Euer Mojestät zu keiner Politik zu raten imstande wäre, die dahin führen
würde, Deutschland von der Höhe herabzuführen, auf die Euer Majestät
und Allerhöchstderen Vorgänger es geleitet haben. Im Gegensatz zu den
exakten Wissenschaften kennt die Politik nicht eine einzige unumstößlich
richtige Lösung gestellter Probleme, sie wird immer von der subjektiven
Überzeugung geleitet werden, daß jeder die für das Heil des Vaterlandes
richtige Politik vertritt. Die Entscheidung, welcher Kurs eingehalten
werden soll, liegt bei Euer Majestät. Ich stehe nicht an zu glauben, daß,
wie bisher, auch künftig es der Weisheit Euer Mcjestät gelingen wird,
die für das Vaterland nützlichste Politik durch Abwägen der von Aller-
höchstderen Ratgebern vorgetragenen Gründe zu bestimmen und den
Männern, die auf militärischem Gebiet Euer Moajestät und dem Vaterland
so unermeßliche Dienste geleistet haben, das Gefühl zu erhalten, daß sie
das Vertrauen ihres Allerhöchsten Kriegsherrn in vollem Umfang genießen.
Anderseits dürfen aber auch die durch das ehrenvolle Vertrauen Euer Ma-
jestät ausgezeichneten politischen Ratgeber beanspruchen, daß ihnen auch
seitens der militärischen Stellen dasselbe Vertrauen auf ihre Leistungs-
fähigkeit und ihr durch langjährige Erfahrung erworbenes und gebildetes
politisches Urtell entgegengebracht wird.
Aktenvermerke zu den obigen Ausführungen.
1. Wie weit das persönliche Verantwortlichkeitsgefühl die
beiden Generale führt, ist ihre Sache. Auch in politischen Dingen, die für
die Zukunft des deutschen Volkes entscheidend sind, kann sehr wohl den
militärischen Gesichtspunkten eine so ausschlaggebende Bedeutung inne-
wohnen — wenn davon der Ausgang des Krieges abhängt —, daß
die politischen Erwägungen dagegen zurücktreten müssen. Auch die Ent-
scheidung Seiner Majestät kann die Generale vor ihrem Gewissen nicht
entlasten.