484 XXI. Verschiedenes aus der ersten Jahreshälfte 1918
gebnislosigkeit der deutschen militärischen Operationen propagieren und
den bevorstehenden Zusammenbruch Deutschlands voraussagen. Der
deutsche Militarismus, dessen letzte Zuflucht die große Offensive gewesen
sei, habe eine entscheidende Niederlage erlitten. Deutschland werde bald in
die Knie sinken und um Frieden bitten. Nun heiße es nur noch, den Krieg
verlängern bis zum Eintritt Amerikas, um den völligen inneren und
äußeren Zusammenbruch Deutschlands herbeizuführen. Gleichzeitig würde
selbstverständlich die schärfste Hetze gegen alle Friedensgruppen
bei unseren Feinden einsetzen. Mit brutaler Gewalt wird man sie zum
Schweigen zu bringen versuchen. Diese werden jedoch jetzt, wo die unmittel-
bare militärische Gefahr nach ihrer Ansicht beseitigt ist, gewitzigt durch die
Erfahrungen der Ablehnung der wiederholten Friedensangebote Deutsch-
lands und Österreichs, die laute Forderung erheben, daß nicht noch einmal
eine so günstige Gelegenheit vorübergelassen, sondern daß der Weg zur
Verständigung gründlich und ehrlich erforscht werde. Dieser unüberbrück-
bare Gegensatz wird zu heftigsten Kämpfen bei unseren Feinden führen.
Als drittes zersetzendes Element wird die englische Militär-
partei auftreten, um den ihr verhaßten Lloyd George nun endlich zu
beseitigen und an den Pfahl zu bringen. Der Ruf nach dem Schuldigen
an dem militärischen Unglück wird neu aufleben.
Der Arbeiterschaft in der Kriegsindustrie würde sich eine außerordent-
liche Unruhe bemächtigen. Die patriotische Zurückhaltung würde, ange-
sichts der nicht mehr bestehenden unmittelbaren Gefahr, fallen gelassen
werden. Die Regierung wäre gezwungen, in den großen Industriezentren,
deren pazifistische Verseuchung heute offen zugegeben wird, mit schärfsten
Unterdrückungsmaßnahmen vorzugehen. Streiks, ja Störungen in revo-
lutionärer Form stünden zu erwarten. In dieses Aufwallen aller inner-
politischen Leidenschaften unserer Gegner, in diesen Kampf aller gegen
alle in der Heimat platzt nun wie eine Bombe, völlig unerwartet, ein
neuer großer militärischer Schlag hinein. Die Wirkung dieses Schlages
wird dann entscheidend werden. Es muß die von dem Minister Geddes
gefürchtete psychologische Katastrophe eintreten. Auf die Kriegshetzer
würde der ganze Haß des betrogenen und enttäuschten Volkes fallen; ihnen
würde wegen ihrer Ablehnung jeder Friedensaussprache die alleinige Schuld
an dem neuen militärischen Unglück zugeschoben werden; die Friedens-
freunde stünden glänzend gerechtfertigt da; eine große Volksbewegung
würde sich hinter sie stellen, die voraussichtlich zum Sturz der Regie-
rungen führen und verständigungsbereite Männer bei unseren Feinden
ans Ruder bringen würde. Es mag wohl sein, daß die Bewegung von
England ihren Ausgang nehmen würde, weil dort heute schon eine natio-
nale, in der Offentlichkeit organisierte Friedenspartei existiert. Aber sowie