Das Friedens- und Waffenstillstandsangebot und die Revolution von oben 523
Je nach den Wünschen unserer militärischen
Stellen würde dem Präsidenten nahezulegen sein,
die Kriegführenden eventuell gleichzeitig zum Ab-
schluß eines sofortigen Waffenstillstandes einzu-
laden. Unsere Aufforderung an Herrn Wilson wäre von der Erklärung
zu begleiten, daß Deutschland, eventuell der Vierbund, bereit ist,
den Friedensverhandlungen als Programm die be-
kannten 14 Punkte des Präsidenten zugrunde zu
legen.
Es dürfte sich empfehlen, unsere Mitteilung auf direktestem Wege an
Herrn Wilson gelangen zu lassen und ihm dabei die Frage der öffentlichen
oder geheimen Behandlung anheimzustellen. Am zweckmäßigsten wäre wohl,
daß einer der kaiserlichen Gesandten in den neutralen Hauptstädten beauf-
tragt würde, die Mitteilung schriftlich seinem amerikanischen Kollegen zu
übergeben. Die Wahl des neutralen Landes müßte von der Eignung der
in Frage kommenden amerikanischen Vertretung abhängig gemacht werden.
Eine geheime telegraphische Anfrage ergeht dieserhalb heute an die ver-
schiedenen kaiserlichen Gesandten.“
Anmerkung: In Berlin war unsere Absicht, ein Waffenstillstands= und
Friedensangebot zu beantragen, noch nicht bekannt.
Es handelt sich im vorstehenden anscheinend um das Ergebnis der am
28. September abgehaltenen interfraktionellen Sitzung. Danach wurde die militärische
Lage in Berlin ähnlich beurteilt wie in Spaa.
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Der Generalfeldmarschall und ich kannten diese Gedankengänge in
Berlin nicht, als wir am 28. September abends den Entschluß zum Waffen-
stillstands-- und Friedensangebot faßten. Ich beziehe mich im einzelnen auf
meine Entgegnung auf das amtliche Weißbuch „Vorgeschichte des
Waffenstillstandes“ Heft 2, Das Friedens= und Waffenstillstandsangebot.
Berlin, 1919. Ernst Siegfried Mittler & Sohn, und wiederhole hier:
Wir bedurften eines Zuschusses an Kraft aus der Heimat, um die Lage zu
halten. Dies war nur möglich, wenn dem deutschen Volke klar wurde, daß
es vor einem Gewalt= und nicht vor einem Versöhnungsfrieden stünde.
Das Waffenstillstands-- und Friedensangebot mußte hierüber bald Klarheit
bringen. Ein Zeitverlust war in Rücksicht auf das schwer ringende Heer
nicht zu verantworten. Erhielten wir einen Frieden, der trotz schwerer
Opfer uns ein Leben ließ, dann mußten wir ihn annehmen, einen solchen
Frieden, wie wir ihn von Mitte Oktober an erwarten mußten — niemals!
Erkannte der Feind, daß er seine eigenen, großen Opfer nur durch ein
gewisses Verzichten gegenüber dem verzweifelt ringenden und den Kampf
hinziehenden Gegner verwinden könne, dann war Hoffnung auf einen
Frieden vorhanden, der uns Leben und Ehre ließ.