Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Das Friedens- und Waffenstillstandsangebot und die Revolution von oben 557 
  
aus der Heimat erreicht werden kann, daß die Armee eine Kräftigung zum weiteren 
Durchhalten erfährt. 
General Ludendorff“): Es wurde schon früher eine Reihe von Fragen an 
mich gestellt, die präzise zu beantworten, ganz ausgeschlossen ist. Der Krieg ist kein 
Rechenexempel. Es gibt im Krieg eine Menge Wahrscheinlichkeiten und Unwahr- 
scheinlichkeiten. Was schließlich eintrifft, weiß kein Mensch. Als wir im August 1914 
nach Ostpreußen kamen und mit Hilfe meines treuen Mitarbeiters Hoffmann die Be- 
fehle zur Schlacht von Tannenberg ausgegeben wurden, da wußte man auch nicht, wie 
es gehen würde, ob Rennenkampf marschieren würde oder nicht. Er ist nicht marschiert, 
und die Schlacht wurde gewonnen. Es gehört zum Krieg Soldatenglück; vielleicht be- 
kommt Deutschland doch auch wieder einmal Soldatenglück. 
Ich kann Ihnen nur meine Überzeugung sagen. Die Verantwortung dafür, was 
ich sage, trage ich und habe sie getragen vier lange, schwere Jahre. 
Wenn man mich fragt, ob die Ostdivisionen einen Umschwung herbeiführen 
werden, so frage ich dagegen, was können wir aus dem Östen wegführen. Ich habe 
darüber mit Hoffmann gesprochen. Wir haben jetzt drei Divisionen locker gemacht durch 
Räumung Weißrußlands; aber das geht nur langsam. Wir haben in dem Gebiet 
noch große Haferbestände, Hafer wird uns im nächsten Jahr besonders fehlen; das ist 
zu bedenken. 
Also drei Divisionen kommen. Einen Umschwung kann man mit drei Diovisionen 
nicht herbeiführen; aber der Soldat muß alles zusammenziehen, was er kriegen kann. 
Früher konnten wir das nicht, weil wir die weitere Grenze gegen die Bolschewiken 
schützen mußten, bis wir das Geld bekamen. Wieviel haben wir denn jetzt im Osten?7 
Oberst Heve: Noch 24 Divisionen. Oberost hat davon noch sieben. 
General Hoffmann: Sieben hat Oberost, zwölf stehen in der Ukraine, fünf in 
Rumänien. 
GeneralL dendorff: Dazu kommt die Frage: Können wir die Ukraine auf- 
geben oder nicht? Die Oberste Heeresleitung ist im Einverständnis mit der Reichs- 
leitung in die Ukraine einmarschiert, weil wir das Land für die Ergänzung unserer 
Wirtschaft brauchten, und weil wir die Ostfront der Feinde sprengen mußten. Können 
wir auf die Ukrainewirtschaft verzichten und können wir die Gefahr auf uns nehmen, 
daß die Ukraine bolschewistisch wird, so können wir auch die Divisionen herausholen. 
Wirtschaftlich glaube ich, daß wir die Ukraine unbedingt brauchen, auch militärisch. 
Wir könnten den Krieg im Westen nicht ohne die Pferde in der Ukraine führen; ob 
unsere Landwirtschaft noch so viel liefern kann, weiß ich nicht. Ich müßte dann um 
eine andere Direktive für die Behandlung der Ostfragen bitten, als sie mir im März 
gegeben worden ist. 
Der Reichskanzler: Würde die Wegziehung der Osttruppen die Westfront so 
stärken, daß sie halten kann? 
General Cudendorff: Das ist jedenfalls in gewissem Maße der Fall. Es fragt 
sich nur, ob die wirtschaftlichen und politischen Nachteile und die Gefahr im Innern 
nicht schwerer wiegen. 
Der Reichskanzler: Würden die neuen Truppen unserem Westheer eine solche 
Stoßkraft geben, daß die Feinde an den Verhandlungstisch gebracht würden? 
General Ludendorff: Nein, Stoßkraft haben diese Truppen nicht mehr. Wir 
haben alles Gute schon herausgenommen. Sie haben keine Stoßkraft mehr, aber eine 
gewisse Abwehrkraft. Es darf nicht unterschätzt werden, daß die Truppen im Osten 
nicht mehr den Geist haben, wie die im Westen; darüber spricht vielleicht General 
Hoffmann. 
*) In der Vorbemerkung zum Weißbuch heißt es: „hatten vor kurzem Ludendorff 
und Heye es selbst als Hasardspiel bezeichnet, wenn sie den Friedensschritt nicht be- 
schleunigten, so heißt es jetzt: Der Krieg ist kein Rechenexempel- usfw.“ Die ganze 
verwirrende Tendenz der Vorbemerkung des Weißbuchs ist für jeden aufmerksamen 
Leser gegeben. Der Verfasser.
	        
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