562 XXII. Friedensverhandlungen
Was halten sich zum Beispiel für Drückeberger in Maubeuge auf. Wir haben ja
in unserer großen Armee mit Helden zu tun und mit recht, recht schwachen Menschen.
Auch auf die müssen wir uns einstellen. Auffrischung der Heimatl Ich richte die
dringende Bitte an alle Stellen, dafür zu sorgen, daß die Stimmung in der Heimat
gehoben wird, und daß der Soldat in Belgien weiß, er verteidigt deutsche Erde. Von
manchen Seiten, so aus der Armee Gallwitz, ist uns berichtet, daß die Waffenstillstands-
verhandlungen sehr böse Folgen haben. In Belgien sagen die Leute: was sollen wir
uns hier noch schlagen, wenn wir doch räumen müssen? und vor Verdun heißt es: was
nützen unsere Opfer, wenn die Franzosen doch Elsaß-Lothringen kriegen? Menschen
mit schlechter Stimmung können wir nicht brauchen. Ein Diovisionsstab sagte mir
neulich, sie hätten ihre Leute aus dem Osten wieder weggeschickt, sie seien im Westen
nicht mehr zu gebrauchen. Man muß mit dem Geiste der Heimat arbeiten.
Der Reichskanzler: Da Seine Exzellenz der General Ludendorff die Frage der
Stimmung angeschnitten hat, so halte ich es für notwendig, an die drei parlamentari-
schen Staatssekretäre die Bitte zu richten, ihre Auffassung über die Stimmung in der
Heimat mitzuteilen und sich über die Vorschläge zu äußern, die man gemacht hat.
Staatssekrelär Groeber: Die Stimmung im Lande ist im Sommer dieses Jahres
eine recht schlechte gewesen. Ich habe mich davon auf einer Reise nach Süddeutschland
persönlich überzeugt. Das haben gerade Urlauber veranlaßt, die zu Hause allerlei
Schauergeschichten erzählt haben. Viel falsche, aber auch manche richtige. Solche Sachen
werden, je länger der Krieg dauert, um so schwerer empfunden. In einer großen
Armee kommt natürlich manches Gewalttätige in der Behandlung der Leute vor, da
kann noch viel gebessert werden.
Vor allem die Verpflegung für Mannschaften und Offiziere. Besonders die Offi-
zierskantinen, da kann sich der Offizier mit Nahrungs= und Genußmitteln versehen;
wenn der Soldat kommt, heißt es, das ist nicht für dich. In gewöhnlichen Zeiten läßt
sich das ertragen; aber in solchen Zeiten, wie diese, stellt sich der Gedanke ein: was
müssen wir aushalten, und wie leben die Offiziere. Läßt sich dieser Gegensatz nicht
beseitigen?
General Ludendorff: Ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß der Offizier
mit der Truppe die gleiche Lebensweise zu führen hat. Ich bin dem Vorwurf nach-
gegangen und habe durch den Generalintendanten festgestellt: es gibt nur eine Kan-
tine, sie verkauft gleichmäßig an Offiziere und Mannschaften. Auch im Preis wird
kein Unterschied gemacht. Ein Unterschied bestand: die kleinen Kantinen ergänzen
ihre Bestände aus den großen Kantinen. Die großen liefern an die kleinen zu geringe-
rem Preis, damit die kleinen verdienen. Nun hatten einige höchste Stäbe keine
Truppenkantine, sondern bezogen ihre Bedürfnisse sogleich aus der großen Kantine,
und zwar zu dem billigeren Preis. Sobald ich das festgestellt hatte, habe ich es unter-
sagt und die Stabsbetriebe veranlaßt, aus den großen Kantinen zum gleichen Preise
wie aus den kleinen zu beziehen.
Im Schützengraben essen ja Mann und Offizier aus derselben Feldküche. Daß
der Stab sich die Sachen besser zubereiten läßt, ist doch zu verstehen, man wird uns
nicht zumuten, aus der Feldküche zu essen. Aber was recht und billig ist, drücken
wir durch.
Das Schlimme ist, es gehen Gerüchte um, die einem Ehre und Reputation ab-
schneiden können, und man kann nichts dagegen machen. Geben Sie mir Einzelheiten,
dann werde ich dahintergreifen, aber seien Sie überzeugt, die Verhältnisse liegen nicht
so kraß, wie man behauptet. Im ganzen ist alles in Ordnung.
Der Reichskanzler: Ich bitte, nicht in Details zu gehen, dazu fehlt uns die Zeit.
Wie beurteilen die Herren Staatssekretäre die Stimmung in Deutschland in Ver-
bindung mit den Maßregeln, die der Herr Kriegsminister vorschlägt?
Staatssekreiär Scheidemann: Ich glaube gern, daß man noch Hun-
derttausende für das Heer mobil machen kann, aber man
täuscht sich, wenn man glaubt, daß diese Hunderttausende
die Stimmung im Heer verbessern würden. Das Gegenteil ist meine