566 XXII. Friedensverhandlungen
Bolschewismus mit allen seinen Folgen nach sich ziehen würde. Der Kristallisations.
punkt für eine Beruhigung der russischen Gärung würde verschwinden, ganz Rußland
wäre dem Bolschewismus ausgeliefert, unsere Anknüpfungen in Südrußland zerrissen.
Das muß doch auch erwogen werden.
Der Reichskanzler: Ich komme nun zu einer weiteren Frage: Wie steht es mit
den Reserven der Entente?
Oberst Heye: Vorige Woche hatten die Franzosen 40, die Engländer 25, die Ame-
rikaner 18, die Italiener 1, dazu kommen noch Portugiesen, Polen und andere Hilfs-
truppen, im ganzen 87 Divisionen Reserven von der Gesamtstärke von 220 Divisionen.
General Ludendorff: Wir haben 191 Dioisionen an der Westfront, die Zahlen
der Divisionen sind also nicht einmal so sehr verschieden, wohl aber die Stärken.
Die französische Division ist auch nur schwach, nicht wesentlich höher wie unsere, die
englische ist stärker und die 40 amerikanischen sind recht stark. Die überlegenheit an
Menschen, über die die Entente gegen uns verfügt, drückt sich also in den Zahlen der
Divisionen nicht hinreichend aus.
Der Reichskanzler: Die elfte Frage lautet: Wie lange ist noch mit Großangriffen
an der Westfront zu rechnen?
General Ludendorff: Das kann weiter gehen, kann aber auch aufhören, ich weiß
es nicht.
Der Reichskanzler: Besteht die Wahrscheinlichkeit einer Überführung weiterer
Italiener an die Westfront?
General Cudendorff: Die Möglichkeit, aber nicht die Wahrscheinlichkeit. Die
Kriegsmüdigkeit in Italien ist sehr groß.
Graf Roedern: Ist ein Angriff der Italiener über Österreich gegen Deutschland
ausgeschlossen?
General Ludendorff: Physisch unmöglich ist er nicht; sie können durch Tirol,
aber wir brauchen jetzt nicht damit zu rechnen. Sonst machen wir uns noch mehr Angst,
als wir schon haben. Wenn JItaliener gegen Deutsche fechten, so wird das wohl nur
an der Westfront geschehen.
Der Reichskanzler: Müssen wir eine neue Ostfront bilden?
General Ludendorff: In Serbien stehen drei Divisionen und zwei österreichische,
dazu sind die Truppen aus der Ukraine an die Donau gekommen. Augenblicklich ist
keine Gefahr. Nach acht Tagen kann es anders sein.
Der Reichskanzler: Ich denke an die OÖstfront gegen Rußland.
General Cudendorff: General Hoffmann meint, eine kampffähige Truppe wird
uns da nicht mehr gegenübertreten; aber wir müssen die Grenzen sperren und uns
gegen Banden wehren. Vielleicht schwillt nun, wenn wir die Ukraine räumen, den
Bolschewiken der Kamm, so daß sie uns den Krieg erklären. Aber an eine kampf-
fähige rote Armee glaube ich nicht.
Der Reichskanzler: Die Sperre ist aber nicht dicht, es kommen doch Hunderte durch.
General Hoffmann: Ja, mit und ohne Paß, mit richtigem und falschem.
Der Reichskanzler: Aber ein militärischer Durchbruch ist nicht zu befürchten?
General Ludendorff: Nein, militärisch glaube ich nicht daran.
Der Reichskanzler: Eine weitere Frage: Wieviel Amerikaner kommen monatlich
nach Frankreich?
Oberst Heye: Nach dem Durchschnitt der letzten Monate 250 000.
General Ludendorff: Im April, Mai und Juni waren es 350 000.
Der Reichskanzler: Hat ihre Zahl seitdem nicht mehr zugenommen?
Oberst Heye: Im Anfang des Jahres war die Zahl viel geringer, etwa 85 000
monatlich, dann kam der starke Aufstieg bis zum Hochsommer, seitdem sind es jeden-
falls nicht mehr geworden.
Der Reichskanzler: Wie groß wird die Stärke des amerikanischen Heeres im
nächsten Frühjahr sein?