Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

570 XXII. Friedensverhandlungen 
  
  
General Ludendorff: Schlechtere gibt es nicht! 
g Der Reichskanzler: O ja, sie brechen in Deutschland ein und verwüsten das 
and. 
General Ludendorff: So weit sind wir noch nicht?). 
Graf Roedern: Es ist bisher nur von Sieg oder Niederlage gesprochen worden. 
Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: wir gehen langsam zurück. Das ist das Wahr- 
scheinlichste, wenn wir einen Durchbruch der Feinde nicht zu befürchten haben. Ich 
halte auch nicht für wahrscheinlich, daß wir die Feinde zurückwerfen. Also angenommen 
wir gehen zurück, wir füllen auf, unsere Widerstandskraft wird gestärkt: wird dann 
Amerika veranlaßt, uns bessere Bedingungen zu stellen? Amerika weiß, daß wir 
unsere letzten Reserven verbrauchen; es wird seine Zeit abwarten. 
General Ludendorff: Wie sieht es denn in den anderen Ländern aus? Ich habe 
eine Agentenmeldung, daß in England und Frankreich ernste Befürchtungen auftreten, 
der Krieg könnte den Monat überdauern, Deutschland wird die Entente noch auf feind- 
lichem Boden zum Stehen bringen. Die Furcht vor einem Umschlag der Lage ist 
dort sehr groß. 
Staatssekrelär Solf: Ich habe den Reichskanzler verantwortlich zu beraten, wie 
die Note, die wir an Wilson zu richten haben, nach Ton und Inhalt zu fassen ist. Für 
diese Aufgabe bin ich durch die Ausführungen von Exzellenz Ludendorff nicht wesentlich 
besser vorbereitet als vorher. 
Zu Anfang dieses Monats ist die politische Leitung des Reichs von der Obersten 
Heeresleitung gedrängt worden, die Gegner um Waffenstillstand zu bitten und Frieden 
vorzuschlagen. Gegen den Willen und gegen die Auffassung des Herrn Reichskanzlers 
hat er sich entschließen müssen, diesen Schritt mit seiner Verantwortlichkeit zu decken. 
Dann kam die Gegenfrage, und auch damals ist an der Auffassung festgehalten worden, 
daß in unserer Antwort an den von uns vorgeschlagenen Bedingungen einfach fest- 
zuhalten sei. Jetzt ist die Antwort Wilsons gekommen, die uns vor schwere Ent- 
schlüsse stellt, und sofort ändert sich das Bild, so daß wir die Lage noch halten können, 
"u daß, wenn wir die nächsten vier Wochen überdauern, wir sogar viel besser dastehen 
s bisher. 
Davor stehe ich wie vor einem Rätsel. Was ist der wirkliche Grund, weshalb 
jetzt geht, was vorher für unmöglich erklärt worden war'")7 
General Ludendorff: Ich habe immer den Menschenmangel als das Wichtigste 
dargestellt?“*). Heute höre ich, daß der Mangel nicht so groß ist, wie ich angenommen 
hatte. Heute höre ich, daß ich in absehbarer Zeit 600 000 Mann bekommen kann. 
Weshalb ich sie nicht früher bekommen konnte, darüber will ich nicht sprechen. Kann 
ich sie jetzt bekommen, so hört die Vereinsamung der Armee auf. Trotz der unglück- 
lichen Ereignisse an der Front ändert sich die Lage, weil zugleich die Kampfkraft des 
Feindes nachläßt. 
Nach wie vor glaube ich, daß wir die Waffenstillstandsverhandlungen, wenn es 
irgend geht, erreichen müssen. Aber nur solche Waffenstillstandsverhandlungen dürfen 
wir annehmen, die eine geregelte Räumung des Landes gestatten, also mindestens 
zwei bis drei Monate Frist. Und dann dürften wir keine Bedingungen auf uns 
nehmen, die eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten unmöglich erscheinen lassen. 
Daß dies die Absicht ist, muß man aber nach der Note annehmen. Die Bedingungen 
*) Hier meint das Weißbuch, ich weiche aus, nachdem ich am 9. klar geäußert 
hatte, wir werden die Grenze halten. Kann man denn nicht ersehen, daß ich bei der 
Sitzung mit meinem Herzen war und wirklich nicht jedes Wort nur rein trocken beant- 
worten konnte. Es ging um das Höchste, was wir hatten. Der Verfasser. 
½° Ich hatte den Gedanken des Staatssekretärs, daß die Oberste Heeresleitung die 
Verantwortung verschieben wollte, nicht verstanden, weil mir von seinen Aussprachen 
am 16. keine Meldung gemacht war. Heute erst sehe ich klar. Der Verfasser. 
*#„) In Verbindung mit dem geistigen Antrieb, über den in der Sitzung bereits 
gesprochen war. Der Verfasser.
	        
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