Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

52 I. Friedensarbeit für die Verstärkung der deutschen Wehrkraft 
  
dem Balkan abzufinden haben wird. Eine Verstärkung seiner Kraft ist un- 
abweisbar nötig. 
Ebenso ist die Wehrmacht Italiens durch den noch nicht gefestigten 
Erwerb seiner neuen afrikanischen Besitzungen mehr als bisher in einer 
Richtung in Anspruch genommen, die nicht in der Linie der großen politischen 
Ziele des Dreibundes liegt. Es sind also bei unseren beiden Bundesgenossen 
Verhältnisse zu berücksichtigen, die wesentlich bei der Einschätzung des mili- 
tärischen Gewichtes mitsprechen, das der Dreibund in die Wagschale eines 
europäischen Krieges werfen kann. 
Gewiß bildet der Dreibund zur Zeit einen geeigneten Staatenbund von 
größter politischer Bedeutung. Will man aber, den Kriegsfall vorausgesetzt, 
seine militärische Kraft richtig bewerten, so darf man sich nicht damit begnü- 
gen, die zahlenmäßig aufgeführten Gesamtsummen seiner Bataillone den 
Kriegsmitteln der Triple-Entente gegenüber aufzurechnen, sondern man muß 
feststellen, welches Maß von Kraft im Kriegsfall jeder einzelne Staat des 
Dreibundes zu gemeinsamem Handeln einsetzen kann und einsetzen wird. 
Nur dann kommt man zu einer richtigen Beurteilung der zu gemeinsamem 
Zweck verfügbaren Mittel. 
In einem Kriege des Dreibundes gegen die Triple-Entente wird Öster- 
reich schon aus Selbsterhaltungstrieb seine ganze Kraft, soweit sie nicht durch 
die Haltung der oder eines der Balkanstaaten gefesselt ist, gegen Rußland 
aufbieten. Es wird infolge der durch die albanische Frage bewirkten An- 
näherung an Italien augenblicklich seine Südwestgrenze unbesetzt lassen 
können. Das ist für die heutige Lage von nicht zu unterschätzender Wichtig- 
keit. Für Deutschland ist das Einsetzen seiner gesamten Wehrmacht selbst- 
verständlich. Italien hat aber an einem allgemeinen europäischen Kriege, 
der aus einem Konflikt zwischen Österreich und Rußland entspringt, kein 
vitales Interesse. Während Deutschland und Österreich um ihre Existenz 
kämpfen, wird Italien kaum bedroht sein, es wird nicht direkt angegriffen 
werden. Denn weder Frankreich noch England werden während eines Krie- 
ges mit Deutschland in der Lage sein, Expeditionskorps nach Italien zu ent- 
senden. Wenn Italien seine Küsten einigermaßen schützt, wird ihm nichts 
Ernstliches zustoßen können. Nimmt es also am Kriege teil, so wird es dies 
tun, nicht weil es wie Deutschland und Österreich einen Lebenskampf führen 
muß, sondern auf Grund seiner Verträge, und es ist ziemlich sicher zu er- 
warten, daß mit einem rücksichtslosen und bis zum äußersten gehenden Ein- 
setzen seiner militärischen Kraft nicht gerechnet werden darf. Es wird hin- 
haltend und vorsichtig operieren und abwarten, wie die Ereignisse jenseits 
der Alpen verlaufen, um sich ohne wesentliche Verluste zurückziehen zu 
können, wenn die beiden anderen Verbündeten Rückschläge erleiden sollten. 
In dieser Ansicht bestärken mich die Besprechungen, die ich in den letzten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.