Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Die Abwehr im Stellungskriege 613 
  
  
schwerer wird es für den Feind, die wichtigsten Stellen zu er- 
kennen und sein Feuer auf diese zusammenzufassen, um so 
mehr Munition und Zeit muß er zur Zerstörung der Befesti- 
gungsanlagen verwenden. 
Ein Angriff gegen unzerstörte Stellungen hat wenig Aussicht auf Erfolg. Der 
Verteidiger zwingt also den Angreifer zu um so größeren Vorbereitungen, je besser er 
seine Stellung ausgebaut hat. Große Angriffsvorbereitungen aber wird der Ver- 
teidiger erkennen (vol. Ziff. 4). Dadurch gewinnt er Zeit und die Möglichkeit zu 
rechtzeitigen Gegenmaßnahmen. 
29. Im Kampfe verwandeln sich die Stellungen allmählich in Trichter- 
felder, deren Ausbau zu durchlaufenden Linien mit Hindernissen und Unterständen 
während des heftigsten Kampfes vergebliche Arbeit ist. Man schont besser die Kräfte 
für die unmittelbaren Kampfaufgaben. Sobald jedoch einigermaßen Ruhe eintritt, 
sind unauffällig Verbindungen, Hindernisse und vor allem Unterstände im Trichter- 
gelände herzustellen, falls dieses nach Abflauen der Kämpfe Dauerstellung werden soll. 
Dieser Ausbau ist nötig, um Führung und Versorgung zu ermöglichen; die Truppe 
verbraucht sich sonst zu schnell. Der Ausbau wird auch den Feind wiederum zu großen 
Vorbereitungen bei Erneuerung des Angriffs zwingen. 
30. Sogleich nach Erkennen der feindlichen Angriffsvorbereitungen muß ver- 
stärkter Ausbau des rückwärtigen Geländes einsetzen, der auch wäh- 
rend des Kampfes mit allen Mitteln fortzusetzen ist. Je mehr schußsichere Unterstände, 
Flankierungsanlagen, maschenförmige Hindernislinien, Kampf= und Verbindungsgräben 
usw. entstehen, um so schwieriger und zeitraubender wird der Angriff, um so plan- 
mäßiger und mit um so mehr Kräfteschonung kann die Verteidigung geführt werden. 
Die in Bereitschaft und in Reserve befindlichen Truppen sind zu diesen Arbeiten 
heranzuziehen. Bei zweckmäßiger Zeiteinteilung und richtiger Anleitung durch die 
höhere Führung werden schnell zahlreiche Anlagen entstehen, ohne daß die notwendige 
Ruhe über Gebühr geschmälert wird. Über Lage und Belegungsfähigkeit der Unter- 
standsgruppen sind Skizzen zu führen. Sie geben der Führung bessere Anhaltspunkte 
über die Verteidigungsfähigkeit einer Stellung als die üblichen durchlaufend gezeich- 
neten Grabenlinien. 
Kräfteverteilung. 31. Die Besetzung hat dem Gedanken Rechnung zu tragen, daß 
dem feindlichen Feuer nirgends dichte Ziele geboten werden 
dürfen und daß der Kampf nicht in einer starren Linie, sondern in 
einer mehr oder weniger tiefen Kampfzone geführt wird. Die Be- 
setzung aller Kampfstellungen muß also dünn sein und sich stark nach der Tiefe 
gliedern. 
Anderseits muß Einwirkung der Führung und Möglichkeit der 
Versorgung bestehen. Die Besetzung muß daher einen gewissen Zusammen- 
hang haben. Bei vereinzelt liegenden Leuten stellt sich leicht ein starkes Einsamkeits- 
gefühl ein, das die Widerstandskraft lähmt. Im schweren Kampf entstehen dann leicht 
Lücken, in denen sich unbemerkt feindliche Rester bilden. Die Kampfbesatzung ist daher 
truppweise in Anlehnung an unauffällige, schachbrettförmig liegende Anklammerungs- 
punkte zusammenzuhalten. Mit allen Mitteln ist für Beobachtung und Verbindung 
innerhalb der Stellung zu sorgen. Dies ist auch Vorbedingung für die angestrebte 
bewegliche und offensive Kampfführung (ogl. Ziff. 38 ff.). 
32. Bei der Aufstellung aller Truppen ist sorgfältig auf Deckung gegen 
Sicht und Feuer und auf geschickte Verteilung im Gelände zur 
Täuschung des Feindes und zur Vermeidung unnötiger Verluste zu achten. 
Je weniger der Angreifer weiß, wo er die Hauptkraft der Verteidigung zu suchen 
hat, wo die Hauptkampfzone, die wichtigsten Flankierungsanlagen, die stärksten Re- 
serven usw. stehen, desto unsicherer werden die Voraussetzungen seines Angriffs. Der 
Verteidiger muß daher Besetzung und Verteidigungsplan den 
jeweiligen Kampfverhältnissen anpassen und sie nach Bedarf
	        
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