Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

56 I. Friedensarbeit für die Verstärkung der deutschen Wehrkraft 
  
gesamte italienische Heer mit Gewehr bei Fuß im Lande stehen, ohne einen 
Schuß abgeben zu können. Deutschland muß den Entscheidungskampf allein 
führen. Während es im Jahre 1870 neben starkem artilleristischen Über- 
gewicht eine infanteristische Uberlegenheit von 106 Bataillonen über Frank- 
reich hatte und sich mit gesichertem Rücken nur gegen diesen einen Gegner 
schlug, muß es den Krieg gegen Frankreich jetzt, allerdings noch mit einer ge- 
ringen artilleristischen Uberlegenheit, aber mit großer Unterlegenheit von 
Infanterie führen und wird dabei auch im Rücken von Rußland angegriffen 
sein. Die üÜberlegenheit unserer artilleristischen Ausrüstung beruht zur Zeit 
auf der stärkeren Entwicklung des Steilfeuers (Feldhaubitzen) und unserer 
schweren Artillerie des Feldheeres. Daneben sind wir auch in unserer Aus- 
rüstung an Feldküchen und Zelten und in unserer Infanteriebewaffnung 
den Franzosen noch voraus. Der Ausgleich hierin ist aber für Frankreich 
nur eine Geldfrage. Es wird uns auf diesen Gebieten mit der Zeit ein- 
holen und kann uns selbst überholen. Nicht überholen kann es uns dagegen 
in der Zahl der waffenfähigen Mannschaft, die uns zur Verfügung steht, 
wenn wir sie dem Heere dienstbar machen. 
Nach II der Anlage verfügt im Osten Rußland über eine sehr erhebliche 
numerische Überlegenheit. Die Gegenüberstellung der Kräfte, die Deutsch- 
land, Osterreich und Rumänien zusammen gegen Rußland ins Feld stellen 
können, ergibt eine russische Ubermacht von 1374 Bataillonen, 319 Schwa- 
dronen und 82 Batterien. Augenblicklich ist Rußland mit der Reorganisation 
seines Heers, mit seiner Ausrüstung und seiner Bewaffnung noch sehr im 
Rückstand. Zur Zeit würde daher auch ihm gegenüber der Dreibund einen 
Waffengang trotz seiner numerischen Unterlegenheit nicht zu scheuen brauchen. 
Wer aber mit der Zukunft rechnet, wird sich vor Augen halten, daß Rußland 
bei den ungeheuren Summen, die es auf die Verbesserung seines Heeres 
verwendet, mit jedem Jahre mehr erstarken wird. Ebensowenig wie 
Deutschland erstreben kann, jemals England als Seemacht zu überholen, 
kann es das Ziel verfolgen, Rußland als Landmacht zu überbieten. Ebenso- 
wenig darf es aber auch unterlassen, alle die Mittel aufzubieten, die ihm 
noch in größerem Umfang zur Verfügung stehen, um die Machtstellung zu 
behaupten, die es seinen Nachbarn gegenüber eingenommen hat, solange 
diese ihre Wehrkraft nicht bis auf die jetzige Höhe gesteigert hatten und 
weiter steigern werden. 
Eine besondere Beachtung erfordern die militärischen Verhältnisse in 
unseren Grenzprovinzen. Wir haben mit Sicherheit im Osten, vielleicht auch 
im Westen auf einen Einfall sofort nach erklärter Mobilmachung zu rechnen. 
Ein solcher wird, wenn er nicht abgewehrt werden kann, unsere Mobil- 
machung durch Zerstörung von Eisenbahnen und Kunstbauten, die Armie- 
rung unserer Festungen und unseren Aufmarsch in empfindlicher Weise
	        
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