Der Angriff im Stellungskriege 641
C. Der Angriff im Stellungskriege und einige Verfügungen,
in denen Erfahrungen über den Angriff ihren Niederschlag
finden.
A. Vorbemerkung.
1. Die Vorschrift behandelt den Angriff im Stellungskrieg mit be-
grenztem Ziel und die aus dem Stellungskrieg zum Durchbruch
führende Angriffsschlacht.
Die Vorschrift gilt auch für den planmäßigen Gegenangriff in der
Abwehrschlacht. Der Gegenstoß dagegen ist eine Kampfform der Verteidigung und
nachstehend nicht behandelt.
B. Allgemeine Grundsätze.
2. Erziehung der Truppe in frischem Angriffsgeist und dem Willen zum
Sieg, mit dem wir in den jetzigen Krieg eingetreten sind, ist die erste Gewähr für den
Erfolg.
Die Durchbildung von Führern und Truppe für den Angriff kann nicht eingehend
genug sein.
Übungen in den Angriffsverbänden, in kleinen Verhältnissen an Übungswerken,
sind erforderkich. — Schonung und Frischerhaltung der Angriffstruppen bis zum An-
griff selbst sind von besonderer Bedeutung.
Genaue Kenntnis der Waffenwirkung, der Leistungsfähig-
keit der einzelnen Kampfmittel, namentlich der Minenwerfer, der Ar-
tillerie und der Munition, sowie des Wesens der modernen Nachrichtenmittel sind un-
erläßlich.
3. Der Angriff verlangt ebenso wie die Verteidigung straffe Führung,
sorgsame und eingehende Weisungen für das Zusammenwirken
aller Waffen innerhalb der Gefechtsstreisen und mit den Nachbarabschnitten, sowie
klare Bestimmung der Angriffsziele. Anderseits bietet jeder Angriff Gelegenheil
zu freier Betätigung und zu entschlußfreudigem Handeln selbst
für den einzelnen Mann.
Die Kunst der Führung eines Angriffes besteht in klarem Erkennen der feind-
lichen Verteidigungsmaßnahmen und ihrer taktischen Einwirkung auf die Durchführung
des Angriffs, in sorgsamer Vorbereitung, klaren Weisungen und sicherer Leitung.
Die Angriffsschlacht verlangt endlich vollständige Beherrschung der Kunst, Massen
auf engem Raum zu bewegen und mit dem Noötigen zu versorgen.
4. Enges Verbindunghalten aller Waffen und aller Führer
von vorn nach hinten, von hinten nach vorn und nach den Seiten ist unerläßlich. Es
sichert das planmäßige Fortschreiten des Angriffs und bewahrt vor Uberraschungen,
namentlich in den Flanken. Bei guter Verbindung ist die Führung in der Lage, recht-
zeitig zweckmäßige Maßnahmen zu treffen.
5. Jeder Angriff muß seinen Schwerpunkt haben. Hiernach ist
die Kräftegruppierung, die Breite des Gefechtsstreifens (Ziff. 12), das Zusammenfassen
der Artillerie, Minenwerfer und sonstiger Kampfmittel, das Bereitstellen und Einsetzen
von Reserven zu bemessen.
6. Ziel, Zweck und Führung des Angriffes sind verschieden
je nach Umfang und Tiefe.
Außer zur Schädigung des Feindes können Angriffe mit begrenztem
Ziel zur Verbesserung der Stellung, zur Entlastung von Hauptkampffronten, zur Ab-
lenkung und Täuschung des Feindes oder zum Beibringen von Nachrichten unternom-
men werden. Falls beabsichtigt ist, das Angriffsziel dauernd zu halten, muß es für
die Verteidigung günstigere Verhältnisse bieten als die Ausgangsstellung. Häufig wird
ledoch der Angriffszweck auch erreicht, wenn früher oder später nach dem Angriff wieder
Uckunden der Obersten Peereslellung 1910— 191#. 41