Der Angriff im Stellungskriege 645
Alle Truppenbewegungen werden zu unsichtigen Tageszeiten oder bei Dunkelheit
ohne Benutzung von Lichtern ausgeführt; bei Nacht aufsteigende Fesselballone haben
diese Maßnahme zu überwachen.
Dem Aufmarsch der Artillerie und der Minenwerfer geht die Munitionsbereit-
stellung in den Stellungen voraus:; hinter den letzten Fahrzeugen wird es sich empfehlen,
durch Eggen usw. die Wegespuren zu verwischen.
Die Bereitstellung der Infanterie hat meist erst in der letzten Nacht vor dem An-
griff zu erfolgen.
Mit Bekanntwerden der Angriffsabsicht bei der eigenen Truppe sind Patrouillen-
vorstöße zu unterlassen.
In größeren Verhältnissen wird es sich empfehlen, bestimmte Persönlichkeiten der
höheren Stäbe mit dem Überwachen der Geheimhaltung zu beauftragen.
17. Gute Vorbereitungen kosten Zeit. Überhastung gefährdet den Erfolg und
führt zu erhöhten Verlusten. Anderseits ist der Umfang der Vorbereitungen
auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, um Überraschung
zu erzielen und um nicht Kräfte und Mittel zwecklos zu beanspruchen. Auf manches
wird zugunsten der Überraschung verzichtet werden können. Dagegen muß alles, was
der feindlichen Aufklärung entzogen ist, um so gründlicher vorbereitet werden.
18. An den Angriffsstellen pflegt nach erfolgtem Angriff eine Zeitlang
erhöhte Kampftätigkeit einzusetzen. Dies muß bei der Berechnung des Be-
darfs an Truppen, Munition und sonstigem Gerät berücksichtigt werden.
D. Führung; Befehlsgliederung.
19. Die Führung des Angriffs übernimmt, je nach der Zahl der be-
teiligten Truppen, eine Heeresgruppe, ein A. O. K., ein Generalkommando oder eine
Dioision.
Selbst bei beschränkten Angriffszielen und geringer Stärke der beteiligten In-
fanterie empfiehlt sich Führung durch die Division, da sie allein über die erforder-
lichen Kräfte und Mittel zur einheitlichen Gesamtleitung der Kampfhandlung, ins-
besondere zum Zusammenfassen und Leiten des Artilleriefeuers und zur Regelung des
Zusammenwirkens der Waffen verfügt.
Auch bei großen Angriffen ist die Division die Kampfein-
heit. Ein gesonderter taktischer Waffendienstweg unter Umgehung der Diovision
schädigt das Zusammenwirken.
20. Beim Angriff hat der Angreifer die Vorhand. Er kann den Gang der
Kampfhandlung wenigstens in ihren Anfängen bis in die Ein-
zelheiten vorausbestimmen. Er muß von diesem Vorteil Gebrauch machen.
Die dadurch bedingte Einschränkung der Selbständigkeit unterer Befehlsstellen läßt sich
nicht vermeiden.
Anderseits muß der selbständigen Mitarbeit weiter Spiel-
raum gelassen werden.
21. Zunächst ist ein Angriffsentwurf aufzustellen, der in großen Zügen
den geplanten Verlauf des Angriffs festlegt. Insbesondere bedürfen Tätigkeit der
Artillerie und Minenwerfer sowie Regelung des Nachschubs von Anfang an einheit-
licher Bearbeitung.
Auf Grund eines Angriffsentwurfs höherer Kommandobehörden reichen bei
großen Angriffen die unteren Führer bis einschließlich Division Befehlsent-
würfe für den Infanterie-Angriff sowie für die Aufstellung und Tätigkeit der Ar-
tillerie usw. nach örtlichen Erkundungen ein.
Hierauf wird der Angriffsbefehl ausgegeben, der für die ganze Front
das Verhalten aller Waffen, insbesondere die Zeiten, einheitlich regelt und dadurch
dem gesamten Angriff einen zeitlich und räumlich fest begrenzten Rahmen gibt. Dies
ist notwendig, da auf der ganzen Front alle Waffen auf die Minute genau
zusammenarbeiten müssen.