Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

654 XXIV. Militärische Schriften 
  
  
Jeder Zeitgewinn stärkt den Gegner, um so mehr, je mehr er anfänglich überrascht 
war. Ordnung, Verbindung, Rücksicht auf das Ganze, verbunden mit scharfem Vor- 
wärtsdringen, sind auch für die Artillerie in keinem Moment wichtiger als in solchen 
Lagen. Es kommt dabei auf richtige Orientierung der Artil- 
lierieführer über Gefechtslage und Gelände, auf Beobachtung, 
auf rasches Zusammenwirken mit der Infanterie und den Luft- 
streitkräften, auf Vorhandensein und zeitlich und örtlich rich- 
tigen Einsatz der Munition an. Es wird eine Hauptaufgabe der höheren 
Führung sein, die Artillerie hierin richtig zu leiten und zu unterstützen. Voller Er- 
folg wird aber nur bei verständnisvollem und selbsttätigem Handeln der Artillerie- 
führer aller Grade erreicht werden können. 
51. Soll das Angriffsziel dauernd gehalten werden (Ziff. 6, 2. Abs.), so ist schnell 
die artilleristische Abwehr einzurichten. 
Dasselbe gilt für die in den einzelnen Phasen der Durchbruchsschlacht erreichten 
Ziele. Mit feindlichen Gegenangriffen muß immer wieder gerechnet werden. 
52. Munition darf nicht gespart werden. Doa aber die Vorberei- 
tungen um so umfangreicher werden und daher die Überraschung um so mehr ge- 
fährdet wird, je mehr Munition bereitgelegt wird, so ist jedes ÜUbermaß zu vermeiden. 
Jede Batterie muß vor Beginn des Angriffs über die für den ganzen Angriff 
erforderliche Munition verfügen. Deckung etwaiger Ausfälle ist zu berücksichtigen. 
Die ausschlaggebende Bedeutung genügender Munitionszufuhr bei Stellungs- 
wechsel, besonders beim Durchbruch, ist in Ziff. 6 und 50 besonders hervorgehoben. 
Zahlreiche Kolonnen (auch mit Gasmunition) sind unentbehrlich. Trotzdem bleibt die 
Munitionsversorgung eine um so schwierigere Aufgabe, je weiter der Angriff vordringt. 
Haushalten am richtigen Fleck ist daher Notwendigkeit. Fehler in dieser Be- 
ziehung müssen den Angriff zum Stehen bringen. 
II. Jufanlerie. 53. Für den Erfolg des infanteristischen An- 
griffs ist nicht die Zahl der eingesetzten Infanteristen aus- 
schlaggebend, sondern ihre durch Ruhe, Ausbildung und Aus- 
rüstung erworbene Kampfkraft, die Sorgfalt der Vorberei- 
tungen, die Geschicklichkeit von Führung und Truppe, sowie 
Schnelligkeit und Entschlossenheit des Handelns. 
54. Die erforderlichen Angriffsstärken sind abhängig: 
a) von der Entfernung des Angriffsziels, 
b) von der artilleristischen Vorbereitung und Feuerunterstützung während des 
Sturms sowie von der Stärke der feindlichen Stellung und ihrer Besetzung, 
c) von der Möglichkeit und Art der Bereitstellung der Angriffsinfanterie, 
d) von der Ausrüstung (z. B. mit Maschinengewehren, Flammenwerfern, 
Minenwerfern) der eigenen Infanterie. 
Zua) Je näher das Angriffsziel liegt, desto schwächer kann im 
allgemeinen die angreifende Infanterie sein. Bei tiefen Angriffen ist tiefe 
Gliederung notwendig, um an einzelnen Stellen nachzuhelfen, Rückschläge aufzu- 
fangen, entstehende Lücken zu schließen, bedrohte Flanken zu schützen. 
Zub) Die stürmende Infanterie muß, besonders bei tiefen Angriffen, von An- 
fang an genügende Kampf'kraft besitzen, um unvorhergesehenen feindlichen 
Widerstand und im Vorschreiten des Angriffs sich mehr und mehr verstärkende Gegen- 
wirkung brechen zu können. Die Kampfkraft drückt sich jedoch nicht nur in der Zahl 
der Gewehrträger und Handgranatenwerfer, sondern ebenso sehr in der Feuer- 
kraft aus (Zahl der Maschinengewehre, Feuerunterstützung). 
Zuc) Die Möglichkeit und Art der Bereitstellung der Angriffs- 
infanterie und die Auswahl der Angriffswege sind entscheidend für 
Anlage und Verlauf des Angriffs. Die Bereitstellungsplätze sind so zu wählen, daß 
die bereitgestellten Truppen nach Möglichkeit dem Artilleriefeuer entzogen sind und 
daß sich günstige Anmarschwege und Angriffsrichtungen ergeben.
	        
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