Der Angriff im Stellungskriege 681
oberteile bzw. Steckhülsen, Verwendung der Verzögerung bei Sumpfboden, können die
Wirkung fast völlig aufheben.
Alle höheren Führer und die Generalstabsoffiziere, aber auch die Infanterie-
Regimentskommandeure, denen oft Artillerie unterstellt wird, müssen sich die nötigen
Kenntnisse verschaffen, um beurteilen zu können, wie weit ihnen die Artillerie helfen
kann, und um nichts Unmögliches von der Artillerie zu verlangen.
Die nachstehenden Ausführungen sollen kein erschöpfendes Bild geben, sondern
lediglich auf einige Hauptpunkte hinweisen. Sie sind geeignet, als Grundlage für
artilleristische Besprechungen zu dienen, an denen auch möglichst viel Infanterie-
Offiziere teilzunehmen haben. Vgl. auch Schießvorschrift für die Artillerie Ziff. 10 ff.
I. Die moralische Wirkung. Ein wesentlicher Faktor jeder artilleristischen Wirkung
ist die moralische Wirkung; sie kann taktisch ausschlaggebend sein.
Schwerer zu ertragen als die blutigen Verluste sind oft die seelischen Eindrücke
einer schweren Beschießung. Sie lähmen die Widerstandskraft, sind aber oft nur
vorübergehend.
Die moralische Wirkung muß daher durch schnelles Zugreifen ausgenutzt werden,
sonst erholt sich der Gegner wieder.
Je überraschender das Feuer einsetzt, je mehr es zeitlich und räumlich zusammen-
gedrängt wird, um so größer ist die moralische Wirkung. Anderseits wächst sie natürlich
mit der Dauer der Beschießung und der Größe des beschossenen Raumes.
Beim Einzelschuß ist die moralische Wirkung in erster Linie durch die Schärfe
des Knalls bedingt, die in der Hauptsache von der Größe der Sprengladung, dem
Zünder und dem Aufschlaggelände abhängt.
Die Größe der Sprengladung weist beim gleichen Kaliber wesentliche Unter-
schiede auf. So hat z. B. die K. Gr. 15 = 0,38 kg, die l. K. Gr. = 0,9 kg, Sprengstoff.
Im übrigen enthält ein Geschoß um so mehr Sprengstoff, je größer das Kaliber ist.
Granaten haben stets größere moralische Wirkung als Schrapnells mit gleicher Zündung.
Brennzünder (B-z.) oder Abpraller (Einzelheiten über die verschiedenen Zünder
s. II, 1) geben den schärfsten Knall, demnächst empfindliche Zünder (E. 2.). Geschosse
mit gewöhnlichen Aufschlagzündern (Az.) und mit Verzögerung (m. V.) knallen meist
sehr viel schwächer, weil der Boden um so mehr vom Knall ausfschluckt, je tiefer das
Geschoß eindringt.
Hartes Auftreffgelände begünstigt daher die moralische Wirkung, im sumpfigen
ist sie sehr gering, besonders bei langsamer Zündung.
Auch die Endgeschwindigkeit ist auf die moralische Wirkung von Einfluß. Flach-
feuergeschosse, die schneller fliegen als die Schallgeschwindigkeit ist, wirken moralisch
erheblich stärker als Steilfeuergeschosse, die man lange vorher ankommen hört.
Die moralische Wirkung ist im übrigen um so größer und nachhaltiger, je stärker
gleichzeitig die materielle Wirkung ist. An materiell unwirksames Feuer gewöhnt sich
die Truppe rasch.
II. Die malerielle Wirkung. Die materielle Wirkung betrifft: 1. Splitter-
wirkung, 2. Sprengwirkung (Minenwirkung), 3. Gaswirkung, 4. Nebelwirkung,
5. Brandwirkung.
Ju II, 1. Splüklerwirkung. Wo es auf Splitterwirkung ankommt, muß das
Geschoß sofort beim Aufschlagen, bei Abprallern bald nach dem Aufschlag, bei B:. in
richtiger Höhe in der Luft detonieren. Im übrigen ist bei Granaten die Sprlitter-
wirkung im allgemeinen — abgesehen von der Güte des Geschoßmaterials — durch
die Größe der Sprengladung bedingt, wächst also in der Hauptsache mit dem Kaliber.
Bei Schrapnells wird die Splitterwirkung im wesentlichen durch die Füllkugeln
angestrebt. Sie kommt jedoch nur mit B-:. zur Geltung, wo die Wirkung eng zu-
sammengehalten in der Schußrichtung liegt.
Schrapnells Az. sind fast wirkungslos.
Die Bedeutung des Schrapnells ist in seiner Tiefengliederung begründet; kleine
Fallwinkel und große Endgeschwindigkeit sind die Bedingungen, unter denen der