Antwort des Reichskanzlers auf Nr. 3 71
völkerung gesetzliche und behördliche Maßnahmen einschneidender Art nur
insoweit ins Auge zu fassen sein werden, als diese eine sichere Gewähr für
den Erfolg bieten. Im einzelnen gestatte ich mir folgendes zu bemerken:
A. Männer.
Bereits jetzt stehen alle männlichen Personen vom vollendeten 17. bis
zum 45. Lebensjahre zur Verfügung der Heeresverwaltung. Innerhalb
dieser Altersklassen sind von den 19jährigen an alle felddienstfähigen —
außer den Reklamierten — in das Heer eingestellt; die übrigen sind — so-
weit überhaupt diensttauglich — im Garnison= und Militärarbeitsdienste
beschäftigt. Es verbleiben also zur Zeit nur noch die Reklamierten, die
Jugendlichen bis 19 Jahre, sofern diese nicht, was in verhältnismäßig
großem Umfange geschehen ist, schon freiwillig eingetreten oder, wie es in
einzelnen Grenzgebieten, namentlich in Elsaß-Lothringen, geschehen sein
soll, für den Militärarbeitsdienst herangezogen worden sind, und die
Männer, die bei Ausbruch des Krieges das 45. Lebensjahr vollendet
hatten; schließlich die dauernd Untauglichen. Was die letzteren angeht, so
sind von diesen alle für den Heeres-, Garnison= oder Arbeitsdienst irgend-
wie brauchbaren Kräfte im Wege fortgesetzt wiederholter Nachmusterungen
ausgelesen worden, so daß auch bei noch verschärfter Prüfung schwerlich in
nennenswertem Umfang weiteres brauchbares Menschenmaterial aus den
dauernd Untauglichen für Heereszwecke wird gewonnen werden können.
Die Reklamationen werden in jedem einzelnen Falle zunächst von den
beteiligten Zivilstellen und sodann von den zur Entscheidung zuständigen
Kriegsministerien in sorgfältigster und strengster Weise geprüft, und es
erfolgen die Beurlaubungen und Zurückstellungen vom Heeresdienste meist
nur für bestimmte Perioden, bei deren Beendigung eine immer wieder
erneute Untersuchung der Unabkömmlichkeitsgründe stattfindet. Wo es
irgend die Verhältnisse zugelassen haben, sind die felddienstfähigen Rekla-
mierten gegen nur garnisondienstfähige Offiziere und Mannschaften aus-
getauscht worden, so daß selbst bei noch strengerer Prüfung der Reklama-
tionsbedingungen ein wesentliches Ergebnis kaum zu erwarten ist. Es
darf dabei nicht außer acht gelassen werden, daß fast sämtliche Zivil-
behörden, desgleichen die Industrien und die Banken sowie die sonst in
Frage kommenden Zivilberufe in diesem gewaltigen Kriege im wesentlichen
unmittelbar oder mittelbar für Kriegszwecke tätig sind oder daß sie sonst
Funktionen ausüben, die für die Erhaltung des Lebens und der Gesund-
heit der zurückgebliebenen Bevölkerung nicht entbehrt werden können. Alle
diese Berufe arbeiten schon jetzt mit kaum zureichendem Personal, dessen
weitere Verminderung ohne schwere Schädigung des Gemeinwohls nicht
erfolgen könnte.