86 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz= und Arbeiterfragen
Wir müssen vielmehr die gesamte Volkskraft in den Dienst der Kriegs-
wirtschaft stellen. Nur dann haben wir Aussicht, dem Feinde gleichzukom-
men; spannen wir aber unsere Leistungen nicht auf das höchste, so werden
wir der toten überzahl unterliegen.
Die Zeit drängtl
Das nächste Jahr wird die Entscheidung bringen, zu der wir uns und
unsere Gegner sich wappnen. Derzjenige, der am schnellsten und rücksichts-
losesten die Volkskraft in den Dienst des Krieges stellt, wird siegen. Jeder
Tag, um den wir das Gesetz hinausschieben, bringt die Gefahr, daß wir zu
spät kommen, und kostet mit Sicherheit das Blut deutscher Soldaten, denn
für jede Kriegsmaschine, die draußen an der Front fehlt, müssen wir lebende
Menschen in die Lücke einschieben.
Ein Scheitern aber des Gesetzes würde die sichere Niederlage bedeuten").
So liegen die realen Dinge. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Lage in
ihrem ganzen Ernst von allen, die an der Verantwortung für Gegenwart und
Zukunft des Reiches mitzutragen haben, klar erkannt wird. Ich hoffe es
aber, denn die Schuld wäre ungeheuer, die jeder auf sich lüde, der zögernd
oder gar hemmend auf die Maßnahmen, die uns den Sieg ermöglichen und
das Leben unserer Soldaten schonen sollen, wirkt.
Es kommt etwas anderes hinzu: Die Nachricht über die bevorstehende
Einbringung des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst hat bei unse-
ren Gegnern einen tiefen Eindruck gemacht. Wir werden ihn noch stark ver-
größern, wenn die Annahme des Gesetzes durch den Reichstag sich zu einer
gewaltigen Kundgebung des einmütigen Willens des gesamten Volkes, alles
an den Sieg zu setzen, gestaltet. Je schärfer und geschlossener dieser Wille zum
Ausdruck kommt, um so näher werden wir dem Frieden kommen. Jeder
Widerstand und jede Diskussion über das Gesetz vor der Offentlichkeit wird
hingegen den Eindruck vermindern.
Der Herr Feldmarschall hat von Anfang an mit einer großen Wirkung
durch die Annahme des Gesetzes auf In= und Ausland fest gerechnet. In
dieser Erwartung liegt der Hauptgrund, weshalb einem durch den Reichstag
zu genehmigenden Gesetz der Vorzug von einer Bundesratsverordnung —
ein Weg, der gangbar gewesen wäre — gegeben ist.
Wir müßten uns täuschen in unserer Auffassung von der sittlichen und
geistigen Höhe des deutschen Volkes, wenn solchen Zielen gegenüber nicht
alles andere, im einzelnen vielleicht Entgegenstehende, zurücktreten würde.
gez. Ludendorff.
*) Diese Prophezeiung hat sich erfüllt, denn die Fassung, in der das Gesetz ver-
abschiedet wurde, kam einem Scheitern gleich. Der Verfasser.