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Als aber weiter stürmte die Zeit im Saus,
Die Wipfel schauten über das Klosterhaus,
Da sah'n sie grüne Gräber, wo längst in Ruh'
Abt und Prior schliefen und die Mönche dazu.
Und höher hob sich der stolze Eichenforst,
Und als die grüne Rinde verkrustend borst,
Da schüttelten die Kronen ihr herbstlich Laub
Auf des Klosters Mauern in Schutt und Staub.
K. Simrock.
58. Georg Witlhelm.
(1619 — 1640.)
Während der schreckliche dreißigjährige Krieg seine eiserne Geißel
über Deutschland schwang, herrschte in Brandenburg der Kurfürst Georg
Wilhelm. Er besaß ein edles wohlwollendes Herz und würde in
ruhigern Zeiten ein gütiger, dem friedlichen Aufschwunge seines Volkes
günstiger Regent gewesen sein; allein dem Andrange so furchtbarer Ge-
fahren, wie sie ein lang verhaltener, unheilvoller Religionskrieg heran-
wälzte, zu begegnen, war nicht seine Sache. Krieg verabscheute er,
nach Ruhm strebte er nie. Einen selbständigen Entschluß zu fassen und
demgemäß zu handeln, fiel ihm äußest schwer: er schwankte von einer
Seite zur andern. Es war dies um so übeler, als seit dem Ueber-
tritte seines Vaters zum reformirten Bekenntniß noch immer eine große
Mißstimmung im Volke herrschte. Die Schwäche und. Zerfahrenheit
in religiösen Fragen nahm noch zu, als der Kurfürst den Adam von
Schwarzenberg, einen Katholiken, zu seinem ersten Minister erwählte.
Sogar in der eigenen Familie hatte der Kurfürst mit Widerspruch und
Ungehorsam zu kämpfen. Seine Mutter, die Kurfürstin Anna, war
der lutherischen Confession treu geblieben und mit Eifer ergeben; sie
unterstützte die Lutheraner auf alle Weise und ließ gar, in Abwesenheit
des Kurfürsten, den berühmten lutherischen Prediger Meihner aus Wit-
tenberg nach Berlin kommen und im Schlosse predigen. Das war dem
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