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Belagerung wurde diesem Muthwillen gegenüber immer furchtbarer,
daß ihnen doch zuletzt das Scherzen verging. Schon erhoben sich ein—
zelne Stimmen für die Uebergabe; aber der größte Theil der Bürger-
schaft erklärte sich noch immer entschieden dagegen. Als der Kurfürst im
August eine erneute Aufforderung zur Uebergabe unter sehr günstigen
Bedingungen an die Belagerten richtete und ihnen sagen ließ, sie möch-
ten nur Al geordnete aus der Stadt schicken, um sich zu überzeugen, daß
seine Artillerie noch nicht zur Hälfte verbraucht sei, gaben sie die männ-
lich trotzige Antwort: „General und Bürgerschaft seien nur gesonnen,
sich zu wehren, sie wollten ihrem Könige, wenn nicht die Stadt, doch
die Wälle und die Mauern überliefern. Die kurfürstliche Artillerie zu
besehen, sei nicht nöthig.“ — Aber je hartnäckiger die Stadt in der
Vertheidigung, desto hartnäckiger war der Kurfürst in der Belagerung.
Im September ließ er den Bürgern sagen, er werde nun bald zum
Sturme schreiten, erlaube ihnen jedoch, ihre Frauen und Kinder aus
der Stadt herauszuschicken. Die Frauen aber antworteten, sie würden
mit ihren Männern sterben. Wohl hofften die Stettiner von Tag zu
Tag auf schwedische Hülfe, die ihnen wiederholt zugesagt war; sie blieb
aber aus. Trotzdem beschlossen sie, im Vertrauen auf die eigene Kraft,
es auf einen Sturm ankommen zu lassen und trafen bereits Anstalten,
um noch in den Straßen der Stadt sich zu vertheidigen. Im Nobem-
ber trat Frostwetter ein, und man rieth dem Kurfürsten, die Belage-
rung aufzuheben. „Lieber,“ entgegnete er, „will ich mich hier begraben
lassen, ehe ich fortgehe.“ Schon waren die Belagerer so weil vorge-
schritten, daß sie die Mauern der Stadt beschießen konnten. Immer
größer wurde die Noth der Stettiner, die schwedische Besatzung war
auf 300 Mann zusammengeschmolzen; der Schießbedarf ging zu Ende;
der kalte Winter vermehrte noch das Elend. Da endlich zeigten sie
sich zur Uebergabe um so mehr bereit, als der Kurfürst, der die Tugend
der Tapferkeit auch an seinem Feinde schätzte, ihnen auch jetzt noch
höchst ehrenvolle und gnädige Bedingungen zugestand. Am 27. De-
zember hielt der Kurfürst, in Begleitung selner Gemahlin und seiner
Prinzen, mit einem glänzenden Gefolge seinen Einzug in Stettin. Mit
den Waffen in der Hand, in Reih und Glied, empfingen die tapfern
und treuen Bürger den einrückenden Sieger, und der große Kurfürst
nahm den Hut vor ihnen ab.