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89. Paul Gerhardt,
geb. 1606, gest. 1676.
Paul Gerhardt wurde im Jahre 1606 zu Gräfenhainichen im
sächsischen Erzgebirge geboren. Von seinen Eltern und seiner Jugend-
geschichte ist nichts bekannt. Sein religlöses Gemüth zog ihn schon
früh zunk geistlichen Stande hin. Nachdem er auf der Universität
Wittenberg seine Studien gemacht und längere Zeit Prediger in Sachsen
gewesen war, wurde er 1651 Probst zu Mittelwalde in der Mark und
1t Diakonus an der Nikolaikirche in Berlin. Er war ein echter
Volksprediger, ein wahrhaft treuer Diener des Herrn und überdies ein
reich begabter geistlicher Dichter. Nicht nur seine Gemeinde, ganz
Berlin, ja die ganze Mark hingen an ihm mit inniger Verehrung.
Als Dichter wurde er schon damals allgemein anerkannt und gefeiert.
„Ich sage es frei,“ bemerkt ein Zeitgenosse, „kein unnützes Wort findet
man in Gerhardt's Liedern; es fällt und fließt ihm Alles auf's Lieb-
lichste, Artigste, voller Geistes, Nachdrucks, Glaubens und Lehre; da
ist nichts Gezwungenes, nichts Geflicktes, nichts Zerbrochenes. Wie
die Reime in der Regel etwas Himmlisches und Geistliches mit sich
führen, also sind sie auch bei Gerhardt absonderlich recht auserwählte,
leicht und auserlesen schön, die Redensarten sind schriftmäßig, die Mei-
nung klar und verständig, die meisten Melodien nach Luther's und
anderer alten Meistersänger Tone, lieblich und herzlich, mit einem
Worte: Alles ist herrlich und tröstlich, Alles voll Saft und Kraft 2c."/
Die Wahrheit dieser Schilderung der Gerhardt'schen Gesänge bezeugen
vor Allem die herrlichen Lieder: „Warum sollt ich mich denn grämen“
und „Befiehl du deine Wege. “
Der Uebertritt des Kurfürsten Johann Sigismund zur reformirten
Kirche (1613) hatte viele religiSse Streitigkeiten in Brandenburg her-
vorgerufen. Eine Vereinigung beider Confessionen war oft versucht,
aber immer mit größter Heftigkeit zurückgewiesen worden. Auch der
große Kurfürst machte ernstliche Versuche, die Partheien zu versöhnen;
allein die Gemüther waren durch die lieblosen Streitigkeiten so aufge-
regt, daß seine Bemühungen erfolglos blieben. Da erließ er eine Ver-
ordnung, in welcher er alle religiöse Zänkereien, namentlich die Verun-
glimpfungen, welche sich die Anhänger beider Bekenntnisse von den
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