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„Kein Zorn des großen Fürsten
„Soll mir ein Hind'rung sein!“
Nach der Sage soll auch die Krone der Glaubenslieder: „Befiehl
du deine Wege“ auf jener traurigen Wanderung entstanden sein. Als
die Familie eines Abends in einer einsamen Herberge saß und nicht
wußte, wovon sie den nächsten Tag zehren sollte, brach die Gattin des
frommen Dichters in Thränen aus und wollte schier verzweifeln. Paul
Gerhardt rief ihr Trostesworte zu aus der heiligen Schrift, unter
andern die schöne Stelle aus den Psalmen: „Beflehl dem Herrn deine
Wege und hoff auf ihn, er wird's wohl machen.“ Von diesen Worten
selber tief ergriffen, ging er in den Garten, setzte sich auf eine Bank
und dichtete das Lied: „Befiehl du deine Wege,“ das sich genau an
die Worte jenes Bibelverses anschließt. Dieser herrliche Gesang, an
dem sich seitdem die ganze evangelische Christenheit erquickt und erbauet,
erfüllte auch des Dichters Gattin mit neuem Muthe, mit neuer Zuver-
sicht. Noch an demselben Abend kehrten zwei fremde Herren in dem
nämlichen Gasthofe ein und erzählten, daß sie der Herzog von Merse-
burg nach Berlin schicke, um den abgesetzten Prediger Gerhardt aufzu-
suchen. Der Dichter gab sich zu erkennen, worauf die Herren ihm ein
Schreiben des Herzogs einhändigten, das ihm ein ansehnliches Jahr-
gehalt nebst einer baldigen Anstellung zusicherte. Im Jahre 1668
wurde Paul Gerhardt zum Pfarrer in Lübben gewählt. Im folgenden
Jahre trat er sein neues Amt an und wirkte noch sieben Jahre im
Weinberge des Herrn. Am 7. Juni 1676 war sein Tagewerk zu Ende.
Er starb mit den Worten des achten Verses seines Liedes „Warum
sollt' ich mich denn grämen:
„Kann uns doch kein Tod nicht tödten,
„Sondern reißt unsern Geist
„Aus viel tausend Nöthen
„Schließt das Thor der bittern Leiden.
„Und macht Bahn, da man kann
„Geh'n zu Himmelsfreuden.“
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