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90. Paul Gerhardt.
Zu Brandenburg einst waltet
Der Kurfürst weit und breit;
Doch neue Lehren spaltet
Des Glaubens Einigkeit.
Es steuern wohl Gesetze
Verbotenem Geschwätze
Wie das Edilt es nennt;
Doch wird es ihm gelingen,
Den freien Geist zu zwingen,
Der Greis versetzt bescheiden:
„Mir ziemt's, das strenge Recht,
„Gebieter, zu erleiden,
„Mir dem geringen Knecht.
„Wie mag ich anders lehren,
„Das Reich des Herrn zu mehren,
„Als wie geschrieben steht?
„Es bleibt gerecht sein Wille,
„Ich will ihm halten stille.“ —
Des Sängers, der die Furcht nicht kennt? Und drauf verneigt er sich und geht.
Er stand an heil'ger Stätte,
Der Kirche heller Stern,
Durch Lehren und Gebete
Verkündigend den Herrn.
„Und laß Dir nimmer grauen,
„Mußt droben dem vertrauen,
„Deß Name Zebaoth!
„Und ob des Himmels Schranken
„Und alle Vesten wanken:
Ein' feste Burg ist unser Gott!“.
Der Kurfürst aber sandte,
Da kam der fromme Mann;
Des Fürsten Auge brannte,
Und zürnend hub er an:
„Wer nur den eignen Grillen
„Nicht des Gesetzes Willen
„Zu folgen, weise fand,
„Der hat — es sei gesprochen! —
„Hat Ehr' und Amt verbrochen,
„Und meidet fortan Stadt und Land!
Und wehrt daheim dem Jammer,
Und Alles legt er ab,
Und nimmt aus seiner Kammer
Die Bibel und den Stab.
Die Mutter, blaß vor Harme,
Das jüngste Kind im Arme,
Das zweite bei der Hand —
So tritt er an die Schwelle,
Und blickt hinauf in's Helle,
Und meidet fröhlich Stadt und Land.
Wer geht im fernen Thale
Den müden Pilgergang,
Im heißen Sonnenstrahle,
Die flache Haid’ entlang? —.
Sie wallen froh im Glanben
Als blühten ihnen Lauben
Der fremden Erde zu;
Und als der Tag verflossen,
So beut, im Wald verschlossen,
Ein gastlich Dach dem Häuflein Ruh.