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105. Friedrich Wilhelm I.
(113 — 1740.
Aus dem alten Zollernstamme
Wuchs manch' edles kräftig Reis:
Oft war's eine zarte Blüthe,
Nicht für Stürme, Fluth und Eis;
Meist doch waren's kräft'’ge Zweige,
Die nicht brach die schwerste Last;
Diesmal sproß aus zarter Knospe
Gar ein derber knorr'ger Ast. L.
106. Seine Jugend.
Er wurde am 14. August 1688 auf dem kurfürstlichen Schlosse
zu Cöln an der Spree geboren. Der Name Friedrich Wilhelm wurde
ihm zur Erinnerung an seinen Großvater, den großen Kurfürsten, bei-
gelegt, der noch in demselben Jahre starb. Die erste Wartung und
Pflege erhielt er von der Frau von Rocoulles, einer vornehmen und
gebildeten Französin. Frühzeitig entwickelte sich mit der Körperkraft
ein lebhafter Geist und ein starker unbändiger Wille. Nicht selten
kamen Auftritte von Heftigkeit und Trotz vor, die Mutter und Er-
zieherin erschreckten und viel Sorge und Verdruß bereiteten. Schon
als vierjähriger Knabe machte er ein gefährliches Kunststück. Während
des Ankleidens nahm er eine silberne Schnalle, die einen Zoll lang und
einen halben Zoll breit war, von seinen Schuhen und spielte damit.
Als sie gebraucht werden sollte, wollte er sie nicht zurückgeben, sondern
steckte sie in den Mund und verschluckte sie. Die Erzieherin gerieth
außer sich, die Kurfürstin, die man eiligst herbeigerufen, schrie auf in
der größten Angst; selbst der Kurfürst war tief erschüttert. Der Prinz
aber lachte und freute sich, daß er die Gouvernante angeführt. Die
Aerzte verordneten, was sie für heilsam hielten, und glücklicherweise kam
die Schnalle am zweiten Tage wieder zum Vorschein. Dieselbe wird
noch heute unter den vaterländischen Merkwürdigkeiten auf der könig-
lichen Kunstkammer in Berlin ausbewahtt.