Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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Mann statt meiner begraben. Ich wollte für todt gelten, denn mein 
Gewissen war beschwert, daß ich eine nahe Verwandte zur Frau 
genommen. Um diese Sünde abzubüßen, zog ich in das heillge Land. 
Nun aber ist die Kunde zu mir gedrungen, daß mein Land unter 
fremden Herrschern im Unglück seufze, und ich bin wieder heimge- 
kommen, daß ich meines Volkes Leiden mildere.“ Das war eine 
wunderliche Rede; aber sie fand Glauben. Der Pilgersmann glich an 
Gestalt und Angesicht dem alten Markgrafen; auch hatte er eine 
Narbe an der Stirn, wie Waldemar sie gehabt. Der Erzbischof von 
Magdeburg und viele Fürsten fielen dem Manne zu. Als er in die 
Mark zog, entstand großer Jubel; die Bürger holten ihn festlich in 
ihre Städte und wußten kaum, wie sie ihn ehren sollten. Da stand 
es schlecht um die Herrschaft des Bayern in Brandenburg. Nur drei 
Städte blieben ihm treu, das waren Frankfurt, Spandau und Brietzen. 
Sie schlossen ihre Thore zu und ließen die bay'rischen Fahnen von 
ihren Mauern wehen. Brietzen hielt sogar einen Sturm aus und 
schlug das Kriegsvolk Waldemars zurück. Dafür gab Markgraf Ludwig 
der Stadt den Namen Treuenbrietzen, wie sie heißt bis auf den 
heutigen Tag. Die Bayern behaupteten, daß der Pilgersmann ein 
Betrüger sei. Kaiser Karl IV., dem man die Sache vorlegte, entschied 
zuerst, er sei wirklich der ächte Waldemar, und bald darauf wieder, 
er sei es nicht. Ludwig der Bayer wurde über den ganzen Handel 
so verdrießlich, daß er abdankte und die Herrschaft über die Mark 
seinem Bruder übergab, den man den Römer nannte, weil er zu Rom 
geboren war. Der hat noch manches Jahr des Waldemar wegen 
mit den märkischen Städten in Fehde gelegen. Endlich blieb er 
Sieger; Waldemar entsagte der Mark und starb später zu Dessau, wo 
er auch begraben liegt. — 
Nachmals hat man gesagt, der Pilgersmann sei ein Müllerknecht 
gewesen, Namens Jakob Rehbock, der lange Zeit an dem Hofe des 
Markgrafen Waldemar als Diener gelebt habe, und der seinem ver- 
storbenen Herrn ähnlich gewesen sei. Die Feinde des Markgrafen 
Ludwig hätten ihn beredet, den Betrug zu spielen. — Es weiß aber 
Keiner genau, wie es sich mit der Sache verhalten hat.
	        
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