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177. Der Müller Arnold.
Der König gestattete jedem, auch dem geringsten Unterthan Zu-
tritt. Wer ihm etwas vorzutragen hatte, stellte sich unter eine Linde
vor dem Schloßfenster zu Potsdam, die deßwegen auch die Bittschrif-
tenlinde genannt wurde. Wenn Friedrich in dem Schlosse anwesend
war, sah er zuweilen hinaus, und wer dort stand, konnte sicher sein,
daß er vorgelassen wurde. So hatten sich auch an einem heißen Som-
mertage im August 1779 zwei arme Bauersleute, ein Mann und eine
Frau, unter der Bittschriftenlinde eingefunden und vom frühen Morgen
an sehnsüchtig nach dem Schloßfenster geblickt. Der Vormittag war
vergangen, der heiße Mittag war vorüber, der Abend rückte heran,
aber noch immer hatte der alte Fritz nicht: „Herein!“ gerufen. Da
fuhr auf einmal ein Wagen vor, ein Bedienter öffnete den Schlag, und
der König stieg heraus. Sogleich bemerkte er die Bauersleute, nahm
ihre Bittschrift an, und da die Frau sagte, in dem Papier da stebhe
noch lange nicht Alles, und sie könne noch viel mehr dazu sagen, be-
schied er die Leute am folgenden Tage zu sich. Es waren der Müller
Amnold und seine Frau von der Krebsmühle bei Pommerzig in der
Neumark. Sie erzählten dem Könige, sie hätten bisher von dem Gra-
fen von Schmettau eine Mühle in Erbpacht gehabt; ihr Pachtherr
habe ihnen aber, um einen Karpfenteich anzulegen, das Wasser zu der
Mühle abgeleitet, so daß sie nicht mehr hätten mahlen können. Da
sie nun dadurch mit ihrer Abgabe an Korn als Erbpacht im Rückstande
geblieben, so habe sie der Graf Schmettau gewaltsam und mit Prügeln
aus ihrem Eigenthume vertrieben und die Mühle verkauft. An die
Gerichte hätten sie sich vergebens gewandt, überall seien sie abgewiesen
worden, und nähmen nun ihre letzte Zuflucht zur Gnade und Gerech-
tigkeit ihres Königs. Friedrich fragte die Leute genau aus, ließ ein
Protokoll darüber aufnehmen und theilte der Regierung zu Küstrin
mit, daß er die Sache durch eine unparteiische Commission untersuchen
lassen wolle, zu welcher er den Obersten von Heuking bestimmt habe,
dem die Regierung Jemanden aus ihrer Mitte beigeben möge. Die
Regierung bestimmte dazu den Regierungsrath Neumann. Die beiden
Männer begaben sich an Ort und Stelle, konnten sich aber nicht eini-
gen. Der Regierungsrath erklärte sich für den Grafen Schmettau, der
Oberst aber berichtete an den König, daß dem Müller Gewalt und
Unrecht geschehen sei. Friedrich glaubte letzterem mehr und verwies