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kenlager befragte, wen er ihn als den besten Reitergeneral zu seinem
Nachfolger empfehle, nannte Seydlitz den Wakenitz. Friedrich aber
beachtete diese Empfehlung nicht.
195. Seydlitz nach dem siebenjährigen Kriege.
Nach dem siebenjährigen Kriege hatte Seydlitz sein Standquartier
in Ohlau, und dieser Ort wurde die Pflanzschule der preußischen Rei-
terei. Seydlitz eigenes Regiment wurde das Vorbild aller andern;
er selbst gab sich ganz der Ausbildung der Truppen hin. Von dem
kleinsten Anfange der Reitkunst bis zum vollständigsten Felddienste
ward Alles von ihm streng angeordnet und genau überwacht. Das
ganze Regiment, Gemeine und Offiziere, ritt in gleichmäßiger Weise,
nach einer und derselben Vorschrift, rasch, leicht, gewandt, mit größter
Kühnheit und Sicherheit. Die Verwegenheit des Reiters wurde bis
zur Tollkühnheit getrieben; kein Unglücksfall wurde geachtet. Der
Neuling mußte harte Prüfungen bestehen. Kam ein stämmiger Bursche
als Rekrut, oder trat ein derber Junker ein, so wurden sie zur Probe
auf die wildesten Pferde gesetzt und ihrem Schicksale überlassen. Wer
bei dem wilden Dahinrennen über Stock und Stein den Hals brach
oder sonst zu Schaden kam, von dem war weiter nicht die Redej
wer aber sitzfest und unverzagt blieb, der wurde als Schüler angenom-
men. Schwächliche oder unansehnliche junge Männer fanden keine Auf-
nahme. Die Folge davon war, daß im Regimente, besonders in der
ersten Schwadron, nur die auserlesensten, muthigsten Reiter zu sehen
waren. Jeder Gemeine dünkte sich, im stolzen Bewußtsein seines
Muthes, einem Offizier gleich. Wie weit der Meister seine Jünger in
kriegerischen Kunstübungen gebracht hatte, zeigt folgendes Beispiel. Bei
seiner Ernennung zum Generale der Kavallerie im Jahre 1767 ließ
er Appell blasen, um seine Leibschwadron davon in Kenntniß zu setzen,
und da jeder Schuhmacher und Schneider ein Meisterstück machen
müsse, erklärte Seydlitz, daß er das seinige nun auch machen werde.
Er stellte sich an die Spitze seiner Schwadron, führte sie vor die
Stadt, ließ alle möglichen Uebungen im schnellsten Tempo durchmachen
und stürzte sich zum Schlusse von dem steilen Ufer hinab in den
Ohlaufluß. Die ganze Schwadron stürzte ihm nach, ihm zunächst der
Trompeter, welcher die befohlenen Signale auf schwimmendem Pferde
blies. Die Schwadron formirte sich im Wasser, brach zu dreien ab,