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Anderer schonen. Daß daher häufig Unglücksfälle vorkamen, ist nicht
zu verwundern.“ Der General grämte sich darüber nicht sonderlich; er
hielt sie für Opfer, die der Kriegesdienst auch dem Frieden auferlegte.
Als der König ihn einmal fragte: „Seydlitz, wie kommt es, dah bei
seinem Regimente so viele Leute den Hals brechen“ antworteie er:
„Ew. Majestät dürfen nur befehlen, und es soll nicht wieder vor-
kommen; aber ich bin dann außer Schuld, wenn das Regiment gegen
den Feind nichts aubrichtet.“
Die Ministerin von Schlabrendorf, welche ihre Angst nicht ver-
hehlte, daß ihr Sohn durch das tolle Reiten, von dem sie mit Ent-
setzen hörte, ein Unglück nehmen könnte, tröstete er auf andere Weise:
„Sie können ruhig sein,“ sagte er, „einen Kornet und eine Katze kam
man vom Thurme herabwerfen, sie brechen nicht gleich den Hals, son-
dern fallen immer auf die Beine.“
Auch als Schütze mit Pistol und Büchse zeichnete sich Seydlitz
durch sein scharfes Auge und seine feste Hand aus. Er schoß seinem
Bedienten einen Thaler, den er mit zwei Fingern hielt, aus der Hand,
und war eben so erbötig, einem andern guten Schützen ein Geldstück
als Zielscheibe zwischen den Fingern hinzuhalten. Thonpfeifen in die
Erde gesteckt, pflegte er nach und nach bis auf den Stummel abzuschießen.
Nicht selten neckte er einen Glöckner, der eine kleine am Rathhause hän-
gende Glocke täglich dreimal läuten mußte, damit, daß er ihm, wenn
er den Glockenstrang zog, denselben über der Hand abschoß. Einem
Bürgermeister soll er gar einmal die Schlafmütze vom Kopfe geschossen
haben. Das kam so, dieser Herr hatte die Gewohnheit, sich des
Morgens ein Stündchen mit seiner Tabackspfeife aus dem Fenster zu
legen und seine Schlafmütze aufzubehalten, so oft auch der General
Seydlitz, der ihm gegenüber wohnte, am Fenster erschien. „Läßt er
diese Unhöflichkeit nicht,“ bemerkte Seydlitz gegen einen Offizier, „soa
blase ich ihm mit meinem Pistol das Ding da vom Kopfe!“ und
siehe, auch diese Heldenthat wurde glücklich vollbracht.
Das Verhältniß Seydlitz zum Könige war zuweilen ein gespann-
tes. Friedrich tadelte oft, wo kein Grund dazu vorhanden war, und
dann hielt Seydlitz mit der Rechtfertigung nicht zurück. Bei der Mu-
sterung im Jahre 1770 bemerkte der König, daß sein Regiment mit
längeren Bügeln reite, als alle die übrigen; worauf der General zur
Antwort gab: „Ew. Majestät, mein Regiment reitet heut noch eben
so, wie es in der Schlacht bei Roßbach ritt.“ Friedrich schwieg.
Ein, anderes Mal brachte der König zu Sprache, ob es nicht
besser sei anstatt der Rückenklingen, zweischneidige einzuführen. Die