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199. Hans Joachim von Zieten.
Hans Joachim von Zieten eiblickte das Licht der Welt am 18.
Mai 1699 auf dem Landgute seines Vaters zu Wustrau bei Ruppin.
Seine Mutter war eine geb. von Wahlen-Jürgaß aus dem Hause
Gantzer, aus dem er sich 1737 auch seine Gattin erwählte. Reich-
thum besaß seine Familie nicht, und Hans mußte, wie viele branden-
burgische und pommerische Junker damals, den Soldatenrock, „das
Kleid des Königs,“ anziehen. In dem nahen Städchen Ruppin stand
ein Bataillon Musketiere. Dem Exerciren oder der Wachtparade des-
selbens zuschauen zu dürfen, war für den Knaben das höchste Fest.
Von seinem neunten Jahre an durfte er jeden Sonnabend in die
Stadt gehen und sich von einem Soldaten das freiherabfallende Haar
in einen Zopf binden lassen, der dann aber eine ganze Woche aushal-
ten mußte. In seinem vierzehnten Jahre trat er seine militärische
Laufbahn an. Er mußte von der Pike auf dienen. Da er klein und
schwächlich von Person war, glaubten die ältern und stärkeren Junker
ihn nach Gefallen necken zu dürfen; allein Hans ließ sich nicht hän-
seln: er forderte seine Gegner auf den Degen, und Manche wurden
von ihm gezeichnet, für ihr ganzes Leben. Dergleichen Raufereien,
und noch mehr seine unansehnliche Figur, wurden Veranlassung, daß
ihn der-Graf Schwerin, der spätere Feldmarschall, in dessen Regimente
er diente, viermal überging, ohne ihn zum Lieutenant zu befördern.
Das, verdroß, Zieten; er nahm deshalb seinen Abschied, begab sich auf
das väterliche Gut und trieb Landwirthschaft. Lange hielt er das
aber nicht aus; der Trieb zum Soldatenleben regte sich aufs Neue bei
ihm. Er ging einige Mal nach Berlin, und hatte das Glück, dem Kö-
nige (Friedrich Wilhelm I.) persönlich bekannt zu werden. Da dieser
seine Beschwerden über die erfahrene Zurücksetzung eben so gerecht, als
seinen Diensteifer löblich fand, so ernannte er ihn zum Premierlieute=
nant. Sein Standquartier wurde Tilsit. Bald zeichnete er sich als
geschickter und kühner Reiter aus. Er war ein Feind alles Unrechts
und trat demselben überall mit Freimuth entgegen. Dadurch gerieth
er oft in Händel mit seinem Rittmeister. Dieser, zu feige, eine Her-
ausforderung anzunehmen, verklagte Zieten beim Könige, und ein
Kriegsgericht verurtheilte diesen zu einjähriger Festungsstrafe. Der
Rittmeister zog sich dadurch aber die Verachtung des ganzen Offizier=
corps zu, und er mußte leiden, daß er wegen seiner Feigheit fortwäh-
rend verhöhnt wurde, was ihn fast zur Verzweiflung brachte. Als
Zieten daber von der Festung zurückkehrte, flel ihn sein ehemaliger