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Und giebt ihm den heiligen Muttersegen;
Sie streckt ihm die offenen Arme entgegen
Und küßt es, die Augen vom Sonnenschein,
Wie ein liebseliges Mütterlein.
232. Die Vermählung.
Es war am heiligen Weihnachtsabende, als unser seliges Königs-
paar zum Traualtare ging. Festliches Geläute erklang in der sternen-
hellen Christnacht. Droben im Königssaale stand im Strahle der Ker-
zen die holde Königsbraut, mit dem blühenden Myrtenkranze um das
Haupt und umflossen von dem Silberglanze des wallenden Schleiers.
Von Friedrich des Großen greiser Gemahlin wurde sie gekrönt, und so
wandelte sie an der Hand des hohen, ernsten Königssohnes zum Altare
des Herrn. Wie frohe Kinder jubilirten die Berliner Bürger und
hätten vor lauter Hochzeitsfreude gar zu gern die ganze Stadt illumi-
nirt. Treuherzig vertrauten sie solches Vorhaben vorher dem Bräuti-
gam. Der ließ ihnen aber sagen: „Wird mich sehr freuen, wenn die-
jenigen Bürger, die es übrig haben, das Geld, welches die Illumina=
tion kosten würde, zusammenschießen, und es lieber als Unterstützung
für die Wittwen und Waisen der im Kriege Gebliebenen opfern.“ So
sprach Friedrich Wilhelm im Sinne seiner frommen Braut; funkelten ihnen
doch zu ihrem Hochzeitsfeste der Sternenglanz der heiligen Nacht, was
bedurften sie der Illumination. Dafür leuchteten in dem Kämmerlein der
Wittwen Christbäume, und in ihren bleichen Gesichtern erglänzten helle
Freudenthränen. Reiche Weihnachtsgaben erfreuten die armen Waisen;
denn zu dem Golde der Bürger hatten auch König Friedrich Wil-
helm II. und die Prinzen reichlich beigesteuert. Da falteten sich viele
kleine Hände und beteten für das fromme Brautpaar. Am nächsten
Morgen, am ersten Weihnachtsfeiertage, fuhren die Neuvermählten im
feierlichen Geleite des Hofes zum Hause des Herin. Nach dem Got-
tesdienste zogen sie ein in das bescheidene Haus, das Friedrich Wil-
helm III. bis zu seinem Tode bewohnt hat. Hier lebten sie nun für
einander nach ihres Herzens Lust in stiller Häuslichkeit. An Festen,
wie man sie an fürstlichen Höfen feiert, hing ihre Seele nicht. Der
Kronprinz freute sich, wenn seine Gemahlin die prächtigen Gewänder
abgelegt und wieder im schlichten Hauskleide vor ihm stand. Sie rede-
ten der Hofsitte zuwider, einander mit dem traulichen Du an, und