361
erfrorenen Gliedmaßen, ein wahres Bild des Elendes durch Preußen
zogen, da ergriff das preußische Volk die Ueberzeugung, daß nun die
Stunde der Erlösung aus schwerer Knechtschaft gekommen sei. „Das
hat Gott gethan!“ so ertoͤnte es aus Aller Munde. Es gab nur ein
Gefühl im Vaterlande, das war ein glühender Haß gegen die Fran—
zosen, die mit frechem Uebermuthe das Volk zertreten hatten. Jetzt
oder nie war der Augenblick gekommen, wo man die Ketten sprengen
konnte. Sehnsüchtig wartete man, daß der König sein Volk zu den
Waffen rufen sollte. Dieser Ruf erscholl am 3. Februar 1813 von
Breslau aus, wohin sich der König begeben. Wem es gelten sollte,
war nicht gesagt; Jeder aber wußte es. Der König hatte nach den
vielen bittern Erfahrungen seines Lebens kaum gehofft, daß der Aufruf
eine tiefe Wirkung äußern werde. Wie sehr wurden aber seine kühn-
sten Hoffnungen übertroffen! Eine tiefe Begeisterung ergriff alle Stände.
Jünglinge und Männer verließen Beruf und Familie, um das Vater-
land zu befreien. Ueberall ertönte das schmetternde Kriegshorn. Schaa-
ren von freiwilligen Streitern sah man sich sammeln. In Berlin allein
meldeten sich 9000 Freiwillige zum Kriegsdienste. Es war diesen jun-
gen Männern der Sieg auf die Stirn geschrieben. Zugleich wurde
auch die Landwehr eingerichtet. Jeder Landwehrmann trug an seinem
Hute zum Zeichen des heiligen Krieges, dem er sich weihte, ein Kreuz
mit der Inschrift: „Mit Gott für König und Vaterland!“ Am 19. Fe-
bruar, dem Geburtstage der heimgegangenen Königin Luise, stiftete der
König den Orden des eisernen Kreuzes als Auszeichnung für die Hel-
den des Befreiungskrieges. Am 28. Februar schloß er mit dem Kaiser
Alexander ein Bündniß zu Kalisch; darauf erfolgte am 16. März eine
ausdrückliche Kriegeserklärung an Frankreich, und am 17. Mätz sder
denkwürdige „Aufruf an mein Volk.“ Darin sagte der König: „So
wenig für mein treues Volk, als für alle Deutsche bedarf es einer
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar
liegen sie dem unverblendeten Sinne vor Angen. WMir erlagen der
Uebermacht Frankreichs; der Friede schlug uns tiefere Wunden als
selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen; ; der Acker-
bau, so wie der Kunstfleiß der Städte gelähmt; die Hauptfestungen
blieben vom Feinde besetzt. Uebermuth und Treulosigkeit vereitelten
meine besten Absichten, und nur zu deutlich sahen wir, daß Napoleons
Verträge mehr noch, wie seine Kriege uns langsam verderben mußten.
Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Täuschung aufhört. Bran-
denburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer! Ihr wißt, was
euer trauriges Loos sein wird, wenn wir den Kampf nicht ehrenvoll