Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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erfrorenen Gliedmaßen, ein wahres Bild des Elendes durch Preußen 
zogen, da ergriff das preußische Volk die Ueberzeugung, daß nun die 
Stunde der Erlösung aus schwerer Knechtschaft gekommen sei. „Das 
hat Gott gethan!“ so ertoͤnte es aus Aller Munde. Es gab nur ein 
Gefühl im Vaterlande, das war ein glühender Haß gegen die Fran— 
zosen, die mit frechem Uebermuthe das Volk zertreten hatten. Jetzt 
oder nie war der Augenblick gekommen, wo man die Ketten sprengen 
konnte. Sehnsüchtig wartete man, daß der König sein Volk zu den 
Waffen rufen sollte. Dieser Ruf erscholl am 3. Februar 1813 von 
Breslau aus, wohin sich der König begeben. Wem es gelten sollte, 
war nicht gesagt; Jeder aber wußte es. Der König hatte nach den 
vielen bittern Erfahrungen seines Lebens kaum gehofft, daß der Aufruf 
eine tiefe Wirkung äußern werde. Wie sehr wurden aber seine kühn- 
sten Hoffnungen übertroffen! Eine tiefe Begeisterung ergriff alle Stände. 
Jünglinge und Männer verließen Beruf und Familie, um das Vater- 
land zu befreien. Ueberall ertönte das schmetternde Kriegshorn. Schaa- 
ren von freiwilligen Streitern sah man sich sammeln. In Berlin allein 
meldeten sich 9000 Freiwillige zum Kriegsdienste. Es war diesen jun- 
gen Männern der Sieg auf die Stirn geschrieben. Zugleich wurde 
auch die Landwehr eingerichtet. Jeder Landwehrmann trug an seinem 
Hute zum Zeichen des heiligen Krieges, dem er sich weihte, ein Kreuz 
mit der Inschrift: „Mit Gott für König und Vaterland!“ Am 19. Fe- 
bruar, dem Geburtstage der heimgegangenen Königin Luise, stiftete der 
König den Orden des eisernen Kreuzes als Auszeichnung für die Hel- 
den des Befreiungskrieges. Am 28. Februar schloß er mit dem Kaiser 
Alexander ein Bündniß zu Kalisch; darauf erfolgte am 16. März eine 
ausdrückliche Kriegeserklärung an Frankreich, und am 17. Mätz sder 
denkwürdige „Aufruf an mein Volk.“ Darin sagte der König: „So 
wenig für mein treues Volk, als für alle Deutsche bedarf es einer 
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar 
liegen sie dem unverblendeten Sinne vor Angen. WMir erlagen der 
Uebermacht Frankreichs; der Friede schlug uns tiefere Wunden als 
selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen; ; der Acker- 
bau, so wie der Kunstfleiß der Städte gelähmt; die Hauptfestungen 
blieben vom Feinde besetzt. Uebermuth und Treulosigkeit vereitelten 
meine besten Absichten, und nur zu deutlich sahen wir, daß Napoleons 
Verträge mehr noch, wie seine Kriege uns langsam verderben mußten. 
Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Täuschung aufhört. Bran- 
denburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer! Ihr wißt, was 
euer trauriges Loos sein wird, wenn wir den Kampf nicht ehrenvoll
	        
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