Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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Frühmesse, nach welcher des Tages Arbeit und die ritterlichen Uebungen 
begannen. Der Glocken-Ruf erneuerte sich zu den festgesetzten Stunden 
bis zur Vesper. Selbst der Schlummer der Nacht wurde durch An- 
dachtsübungen unterbrochen. Die Mußestunden wurden gemeinsam im 
Versammlungssaale der Burg verlebt. Harmloser Scherz, munteres 
Gespräch, selbst Schachspiel und andere Ergötzlichkeiten waren erlaubt; 
um Geld durfte aber nicht gespielt werden. Die Ritter hielten ihr 
einfaches Mahl an gemeinsamer Tafel. Bier war das gewöhnliche 
Getränk, seltener wurde Meth gereicht, Wein nur an festlichen Tagen. 
Zur nächtlichen Ruhe diente ein gemeinsamer Schlafsaal, wo ein Stroh- 
sack, ein Strohkissen und eine wollene Decke das Lager ausmachten. 
Bei solcher demüthigen Lebensart aber fühlten sich doch alle 
Ritter durch das stolze Bewußtsein gehoben, der ruhmvollen Gemein- 
schaft anzugehören, deren Macht und Gräße ihres Lebens Ziel und 
Lohn war. Nach der Unterwerfung Preußen's wurde der Sitz des 
ganzen Ordens nach der prächtigen Marienburg verlegt. Dort 
wohnte der Großmeister mit seinem Hofstaat und mit den höheren 
Beamten des Ordens, dort wurden die Capitel (Hauptversammlungen) 
des Ordens gehalten, dort erschienen die Gesandten der europäischen 
Höfe und vornehme Fremde aller Art. Die Bildung, welche daselbst 
eine glänzende Stätte fand, verbreitete sich allmählich auch über das 
ganze preußische Land. Deutsche Sprache und Sitte begannen im 
Volke Wurzel zu schlagen. — Unter Wienrich von Kniphausen war 
des Ordens goldene Zeit. Die Städte blüheten durch Handel und 
Gewerbe, die Verwaltung des Landes, die Rechtspflege und die Ver- 
ordnungen für die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt waren muster- 
haft. Aber Glanz und Macht des Ordens ertödteten seine früheren 
Tugenden: die Gelübde wurden mehr und mehr zu leeren Worten, 
die Ritter lebten in Hoffahrt, Genußsucht und Uneinigkeit. Landadel 
und Städte verbündeten sich gegen ihre Bedrückungen, verbanden sich 
endlich mit dem Könige von Polen, und so ging nach langwierigen 
Kriegen Westpreußen an Polen verloren, und Ostpreußen mußten die 
Ritter von Polen zu Lehen nehmen. 1525 löste sich der Orden ganz 
auf. Der damalige Hochmeister Albrecht, aus dem Hause Hohenzollern, 
trat mit dem größten Theile seiner Ritter zum lutherischen Bekenntniß 
über und wurde weltlicher Herzog in Preußen. 1616 endlich kam nach 
dem Aussterben der Herzogsfamilie das Land an das nahe verwandte 
brandenburgische Kurhaus und wurde die Grundlage des preußischen 
Königthums.
	        
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