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Jagello ist vor Bestürzung außer sich, aber Witowd verzagt nicht;
er holt immer neue Schaaren, allein auch sie erliegen, denn der rechte
Flügel der Ritter behauptet seinen Sieg. Jedoch beim Verfolgen zer-
streuen sich die Schaaren, der lange hartnäckige Kampf hat die Ge-
harnischten ermüdet, und Ulrich besitzt keine Reserven. Kaum bemerkt
dies Zindam, der Schwertträger von Krakau, so führt er neue Schaaren
in den Kampf, und immer neue und wieder neue, so daß die Ritter
von drei Seiten eingeschlossen sind. Jetzt steht die Schlacht eine Zeit-
lang. Endlich ermatten die Ritter, ihre Streiche fallen weniger kräftig,
ihre Reihen wanken; noch einmal raffen sie ihre Kraft zusammen und dringen
in wildem Sturmlauf gegen den Feind, der an Zahl mit jedem Augen-
blicke wächst, nachdem viele Flüchtlinge zurückkehren; doch obschon das
Ordensheer Leichen umthürmen, so muß es doch zum Tode ermattet
Schritt vor Schritt zurückweichen, wobei es immer mehr zusammenge-
drängt wird, so daß die Einzelnen am Fechten gehindert werden.
Die Schlacht ist verloren und die Rettung des Lebens schwer.
Der Hochmeister, der sich im dichtesten Kampfgewühle befindet, wird
ermahnt, an seine Rettung zu denken. Er antwortet aber mit Nein
und ruft: Hier, wo so mancher tapfere Ritter neben mir gefallen ist,
werde ich nicht weichen! Mit diesen Worten stürzt er sich mit einer
kleinen Heldenschaar nochmals auf den Feind, um wenigstens sein
Leben theuer zu verkaufen. Ein furchtbares Mordgewühl erhebt sich,
das Häuflein schmilzt zusammen, der Hochmeister wird tödtlich in die
Brust getroffen, er sinkt leblos nieder. Der Bannerträger fällt neben
ihm, die Fahne mit dem Marienbilde liegt im Staube. Die Reihen
der Ritter sind sehr gelichtet, der geordnete Rückzug wird bald zur
Flucht, der Kampf war zu Ende. Die Feinde hatten aber den Sieg
theuer erkauft; 60,000 todte und verwundete Polen bedeckten den
Wahlplatz, aber auch von dem Ordensheere waren 40,000 Mann ge-
fallen und außerdem noch 600 Ritter. Nur drei Komthure entkamen
lebend der furchtbaren Schlacht. Die Blüthe des Ordens war hinweg
gemäht; er erholte sich nie wieder.
Noch heute ist jenes blutreiche Schlachtfeld kenntlich; denn da
wächst kein Gras, sondern nur dürres Haidekraut und trauriges Ge-
strüpp, und auf dem Hügel sieht man noch die Ruinen der Trauer-
kapelle, welche der Orden zum Andenken und zum Lesen der Seelen-
messe hier errichtete. „Hunderttausend sind hier gefallen!“ sagte die
einfache Inschrift des Kirchleins.