Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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eines Renners Huf betrat, hinuntersprengen mit Roß und Wehr, und 
die Fische drunten im Flusse mögen meinen zerschmetterten Leichnam 
zur Beute gewinnen, wenn ich nicht des Meuchelmordes und jedes 
Ehrenmakels bar die Hand jetzt empor hebe und meine Unschuld noch- 
mals betheuere! — Mit flammenden Augen durchflog er die Reihen 
der Schöffen, aber ängstlich schauten alle Anwesenden binab den 
schwerzukletternden Abhang, den selbst der bergkundige Fußgänger in 
gerader Richtung zu steigen vermeidet, und schaudernd gedachten sie 
der schwindlichten Höhe, die sechs auf einander gesetzte Kirchthürme 
nicht erreichten. 
„Ist es möglich,“ fragte Gerhard von Steinbach, „daß mit dem 
besten Rosse der gewandteste Reiter durch Rosses= und Manneskraft 
ohne sichtbare Hülfe Gottes, die nur dem Schuldlosen zu Theil wird, 
diese jähe Wand ohne Schaden hinunter gelangen könnte?“ 
„Nein!“ — riefen die kühnsten Männer, „das ist über Reiterthat, 
das hieße, sich in's offene furchtbare Grab hinunter stürzen, wenn nicht 
ein sichtbares Wunder den Günstling des Himmels, der sich zu solchem 
unterstände, retten wollte!“ 
„So sei denn Gott dem Schuldlosen gnädig!“ rief der Ritter 
hoch zu Roh, setzte die Sporen ein und wandte sich gegen die steile 
Kluft. Ein bleiches Entsetzen erfaßte alle Anwesenden, als Gerhard 
von Steinbach den Rand des Berges erreichte. Das gute Roß wollte 
seitwärts lenken und bäumte sich, scheu vor der schwindlichten Tiefe, 
allein der Ritter riß es hinab und donnernd schallte der Hufschlag mit 
immer rascheren Stößen über die fast senkrechte Ziegenweide, über die 
Felsen und das nachrasselnde Steingerölle hinab. Gleich einer Schwalbe 
schoß er daher im Fluge. Von droben sah man das Unmögliche ge- 
schehen zur Bekräftigung der Wahrheit, zum Beweise der Unschuld. 
Quer über den sogenannten Eselspfad schoß der Reiter dahin und dann 
von dort, von thurmhohem Felsen in mächtigem Sprunge hinab in 
den Fluß. Unversehrt gelangten Roß und Reiter hinab, nicht einmal 
wankte der Ritter im Sattel, und Speer und Schild hielt er, wie er 
sie oben gefaßt hatte. Und die droben wurden irre an ihren Sinnen, 
sie sahen es und wähnten, es sei ein kühner Traum, was sie gesehen, 
und Aller Blicke waren festgebannt an dem männlichen Ritter, der aus 
der Tiefe des rauschenden Flusses mit lauter Stimme dem Himmel dankte. 
Darauf schaute er gegen die schroffe Felswand empor, die ihn so eben sein 
Roß herabgetragen; und auch ihn faßte ein Grausen, als er sah, wie 
eine Menge Steine, die der Huftritt gelösst, noch nachrollten und in den 
Fluß hinabschossen. Dann rief er, seine Rechte gegen den Schloßberg
	        
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