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weisheit ward zum Sprüchworte und erwarb ihm das Vertrauen des
Kaisers Friedrich II., aus dem Hause der Hohenstaufen, in so hohem
Grade, daß dieser auf dem Reichstage zu Frankfurt, wo er einen
Römerzug beschloß, ihn zum Reichsverweser ernannte. In diesem neuen
Wirkungskreise konnte Engelbert erst recht seine hohen Regententugenden
entfalten. Mit strenger Gerechtigkeit handhabte er die Gesetze. Die
Raubritter zitterten in ihren Felsenburgen, die Wegelagerer verkrochen
sich in die geheimsten Schlupfwinkel, die Straßen wurden frei, Acker-
bau und Handel blühten, und ein wunderbarer Wohlstand verbreitete
sich in allen Ständen, ganz besonders im Erzstifte Köln. Ein Reise-
paß von Engelberts Hand gewährte dem Reisenden größere Sicherheit,
als ein Geleit von Bewaffneten.
Ein Hamburger Kaufmann war von einem Grafen Hartenburg
am Oberrhein überfallen und rein ausgeplündert worden. Er klagte
sein Unglück dem Erzbischofe Engelbert. Dieser tröstete ihn mit den
Worten: „Bringe diesen Handschuh deinem RNäuber und grüße ihn
von mir; das Uebrige wird sich fiuden.“ Der Beraubte that, was
ihm geheißen, und Graf Hartenburg gab ihm ohne Anstand und Z56-•
gerung alle geplünderte Habe zurück.
Ein anderer Edelmann, dessen Großvater ein Verbrechen ungestraft
begangen hatte, auf dem die Todesstrafe stand, wurde des Raubmordes
an mehreren Juden bezüchtigt. Der Mörder leugnete seine Schuld
nicht, suchte sich aber vor dem Erzbischofe dadurch zu rechtfertigen, daß
er behauptete, die Mörder Christi hätten kein besseres Loos verdient.
„Also für die Sünden ihrer Väter haben sie den Tod erlitten,“ erwie-
derte der Erzbischof, „gut, so sollst du den Frevel deines Großvaters
büßen!“ und er ließ ihn hängen.
Auf einer Reise in Westphalen wollte sich Engelbert eben zum
Mittagsmahle setzen, da trat eine Edelfrau, mit ihren Kindern an der
Hand, vor ihn und erzählte ihm unter Thränen, wie ein Ritter aus
der Nachbarschaft ihre Burg überfallen, den Gemahl erschlagen und
alle Habe geraubt habe, so daß sie mit ihren Kleinen von dem Mit-
leiden barmherziger Menschen leben müsse. Der Erzbischof dachte, wie
nach ihm ein edler deutscher Kaiser:
„Wenn beraubt die Armen dürsten,
Ziemt's zu trinken nicht dem Fürsten.“
Rasch sprang er vom Mahle auf, wandte sich zu der Edelfrau und
sprach: „Dieser Platz gebührt euch! Wir wollen euch unterdessen
mit Gottes Hülfe zu euerm Rechte verhelfen!“ Und ohne Verzug brach